Kein schöner Land: Unterwegs beim MainFranken Graveller

Kein schöner Land: Unterwegs in MainFranken // A beautiful country: On the road at the MainFranken Graveller (Foto/Picture: Tobias Köpplinger)

Wenn wir eines in den letzten Jahren gelernt haben, dann dass das Schöne oft direkt vor der eigenen Haustür liegt. Da braucht es nicht ferne Länder und Landschaften – so reizvoll sie auch sind – um ein großartiges Bikepacking Erlebnis haben zu können.

Und die Region Mainfranken ist so etwas Schönes und in ihr der MainFranken Graveller. Dieser führt von Würzburg einmal im Kreis durch den Spessart, die Rhön, die Haßberge und den Steigerwald. Gewählt werden kann zwischen einer langen Strecke (632km und 9060 HM) oder einer kurzen Strecke (429km und 6080HM).

Diese Tracks sind in vier kleinere Abschnitte unterteilt, was es einfach macht, kurze und lange Wegstrecken miteinander zu kombinieren. Denn beim MainFranken Graveller geht es einzig und allein darum, diese wunderschöne Landschaft mit dem Fahrrad und abseits der großen Straßen zu entdecken. Ohne Zeitvorgaben, Check-Points, Platzierungen und dem ganzen Schnick-Schnack.

Zu verdanken haben wir das Jochen Kleinhenz, der in liebevoller Kleinarbeit diese Strecken gescoutet hat und jedes Jahr neue Abschnitte hinzufügt.

Schon einmal war ich in dieser Region zu Gast. Damals war ich mit Tobias auf einem Trainingswochenende in Vorbereitung auf das Atlas Mountain Race. Tobias kommt aus dieser Gegend und wohnt direkt in der Mitte des Mainfranken Graveller Kreises. Da lag es nahe, dass ich ihn erneut besuchen komme und wir zusammen uns seine Heimat auf den Tracks von Jochen anschauen.

Und so standen wir im kühlen aber sonnigen Morgen an Himmelfahrt zusammen mit ungefähr 70 anderen Teilnehmenden in Würzburg vor der Residenz und starteten gemeinsam auf die Strecken.

Wir wählten erstmal die lange Strecke. So langsam zog sich der Pulk an Fahrenden auseinander und bald waren wir alleine unterwegs.  9.000 Höhenmeter sind eine Ansage an die Beine, aber ich fühlte mich wohl und fit, obwohl mich seit ein paar Tagen eine Erkältung quälte. Anscheinend hatte ich diese aber rechtzeitig vor dem Start in den Griff bekommen. Doch wie ich mich da geirrt hatte.

Der erste Streckenabschnitt führte durch den Spessart, bevor der Track dann in die Rhön einbog. Im Spessart finde ich die Wälder am beeindruckendsten. In der Rhön gefallen mir die Berge am meisten. Oder wie es im Rhön Lied heißt:

Ich weiß basaltene Bergeshöh’n

Im Herzen der deutschen Gau’n,

Nicht riesenhoch, doch bezaubernd schön,

Möchte immer und immer sie schau’n!

Und kennst du die herrlichen Berge nicht,

Gehorche dem Freunde, der zu dir spricht:

Zieh an die Wanderschuh,

Und nimm den Rucksack auf,

Und wirf die Sorgen ab,

Marschier zur Rhön hinauf!

In den Abendstunden erreichten wir Gemünden. Hier münden die Sinn und die Fränkische Saale in den Main. Hier nutzen wir die Möglichkeit und essen erstmal ordentlich. Die Strecke bis hierhin hatte viel Energie gekostet. Immerhin mussten wir mehr als 2.600 HM auf 160km überwinden, um  Gemünden zu erreichen. Aber das Wetter war gut, wenn auch so kühl, dass wir den ganzen Tag kaum die Jacke oder Beinlinge haben ausziehen können. Das führte auch dazu, dass die Pausen immer recht kurz waren. Schnell fing ich mit frieren an und der Schnupfen kam dann immer wieder.

Aber nun saßen wir hinter der Brücke in Gemünden in einem Restaurant und gaben uns dem Carb-Loading hin. Gesättigt planten wir noch weitere 30km zu fahren, bevor wir uns dann auf der Veranda einer alten Jagdhütte tief im Wald schlafen legten. (Danke an Jochen für den Tipp!).

Auf hohen Matten den Sonnenschein

Die kühlenden Lüfte umwehn,

Und frei der Blick in die Welt hinein

Wie wonnig, da droben zu gehn!

Am nächsten Morgen weckte uns der anbrechende Tag. Im Gegensatz zu Vortag fühlte ich mich aber angeschlagen. Die Nase war zu, der Kopf schmerzte etwas. Und auch Tobias hustete sich in den Morgen rein. Wir packten zusammen und rollten dann los. Der Forstweg war sehr zerfahren und meine Schaltung hatte Probleme, die Gänge zu finden und zu halten. Moment mal! Wieso macht sie das eigentlich? Normalerweise läuft die SRAM AXS präzise und ohne zu meckern.

Ein Blick auf den Schaltkörper ergab leider keine näheren Informationen. Nur dass der Schaltkäfig irgendwie schräger stand als sonst. Egal, weiterfahren und bei der ersten Pause dann mal näher damit beschäftigen. Doch das war nicht so einfach, denn Teile der Gänge funktionierten, andere Teile nicht. Glücklicherweise waren es die Berggänge, die gut funktionierten und so ging es erstmal 800 Höhenmeter hoch. Keine Zeit zum Nachdenken. Und ich hatte wieder vergessen zu frühstücken, weshalb ich schnell ein Gel und einen Porridge Riegel nachschob, damit der Ofen nicht ganz ausging. Aber irgendwie waren die Beine und der Kopf schwer. Und der Husten blieb.

Dafür stimmte wieder das Wetter. Es war nicht mehr ganz so frisch und die Sonne tauchte die Landschaft in ein tolles Licht. Optimistisch bog ich auf den Anstieg hoch zum Dreistelzberg (660m) ein. Doch dann sprang meine Kette über und ich musste einen Vollstopp hinlegen. Die Schaltung schien doch etwas mehr verstellt oder verbogen zu sein, als gedacht. Und ich wusste nicht, woher das so plötzlich kam.

Beim Aufziehen der Kette auf das vordere Kettenblatt dann die nächste Überraschung: die Tretkurbel saß nicht fest und ließ sich hin und her schieben. Der Grund dafür saß aber vor dem Fahrrad und wunderte sich, wo doch der weltbeste Mechaniker das Tretlager selber eingebaut hatte und dabei vermutlich ein Spacer übersehen hat. Und das ist ihm auch nicht auf den 100 Testkilometern vor dem MainFranken Graveller aufgefallen.

Na prima! Also hiess es umplanen und wir hofften auf Hilfe in einem Fahrradladen in Bad Neustadt. Dort angekommen war man zwar sehr hilfsbereit, konnte mir aber nicht direkt helfen. Also folgten wir Plan B, der vorsah, dass wir zu Tobias fahren (nur 35km entfernt) und ich dann dort in seiner Werkstatt mein Fahrrad reparierte.

Vor Ort angekommen, wartet schon Jochen auf uns und wir tranken erstmal Kaffee und quatschten. Dann machte ich mich an die Reparatur, fuhr zwischendurch kurz nach Schweinfurt, um ein Tretlagerwerkzeug zu kaufen und baute dann den Spacer ein. Problem 1 gelöst. Problem 2 war die Schaltung, die nach wie vor nicht stimmte.

Bei näherer Betrachtung schien das Schaltauge die Fehlerursache zu sein. Es war in sich verbogen. Wie das passieren konnte, weiß ich bis heute nicht. Als erfahrener Radfahrer hatte ich aber ein Ersatzschaltauge dabei und siehe da: nach dem Wechsel funktionierte alles tadellos.

Da es bereits Abend wurde, beschlossen wir erst am nächsten Morgen weiter zu fahren. Und irgendwie war ich auch ziemlich fertig, müde und abgeschlagen. Und nach einem Topf Spaghetti fiel ich dann auch 21 Uhr in den Schlaf.

Ich weiß wohl Bächlein fließen klar

Durch Wälder und Wiesenflor,

Da springt so keck die Forellenschar

Zur Freude der Angler empor!

6 Uhr klingelte der Wecker und nach einem kurzen Frühstück machten wir uns auf den Weg. Auf unserem Plan standen heute die höchsten Berge und Höhen der Rhön: Kreuzberg, Himmeldunk, Hohe Hölle, Rotes Moor, Wasserkuppe und Heidelstein.

Das bedeutete 1.800HM auf 50km, viel klettern und auch ab und zu mal wandern. Für die ersten 35km hoch zum Kreuzberg auf 928m brauchten wir denn auch 3 Stunden. Der Himmel war bedeckt und oben blies ein kalter Wind mit Temperaturen unter 10 Grad. Da hieß es immer in Bewegung bleiben.

Foto: Tobias Köpplinger

Nach einer kurzen Rast im Kloster am Kreuzberg rollten wir weiter in Richtung Oberweißenbrunn und dann hinauf zum 888m hohen Himmeldunkberg. Auf den letzten Metern musste ich schieben, so steil war es und so saugend war der Wiesenweg.

Nach einer kurzen Pause am Gipfelkreuz überquerten wir die Hohe Hölle, wo sich viele alte Grenzsteine finden, die den ehemaligen Grenzverlauf zwischen dem Königreich Bayern und Preussen markierten.

Nach einer steilen und steinigen Abfahrt sahen wir von weitem schon das nächste Ziel: die Wasserkuppe. Mittlerweile hatte die Sonne das Regiment übernommen und so gab es einen schönen Blick auf die Radarkuppel auf dem 950m hohen Berg. Die Wasserkuppe ist der höchste Berg der Rhön. Sie gilt als Wiege des Segelflugs und hier entspringt auch die Fulda. Dort oben befindet sich auch eine Fliegerschule und viele Menschen besuchen den Berg. Dieser ist über eine ausgebaute Straße erreichbar, was nicht so schön zum Fahren war, auch weil viele Motorräder und Autos den gleichen Weg nahmen. Die Wasserkuppe ist kein Highlight und ich war froh, als wir wieder ins Rote Moor zurück fuhren.

Dort stärkten wir uns mit viel zu viel Pommes und kletterten dann hinauf zum 925m hohen Heidelstein. Hier oben steht eine 218m hohe Antenne, die den Sender Heidelstein markiert.

Nach ungefähr 75km hatten wir dann alle großen Rhön Berge geschafft und rollten über Oberelsbach, Bastheim, Bad Neustadt und Münnerstadt wieder zurück. Diese Tour war der würdige Abschluss unseres persönlichen MainFranken Gravellers. Insgesamt 420km mit 6.300 Höhenmeter standen in den Büchern.

Leider haben diese auch Spuren bei mir hinterlassen und mit der Gewissheit, dass ich am nächsten Tag nicht auf dem Fahrrad sitze, sondern im Auto zurück nach Hamburg, schaltete mein Körper wieder den Tour-Modus ab und die Erkältung mit Kopf- und Gliederschmerzen kam wieder voll zurück.

Nun kuriere ich mich erstmal richtig aus, bevor ich mich an die Vorbereitungen für das nächste Event in Böhmen mache. Dann hoffentlich ohne Erkältung, denn das ist nicht wirklich gut.

Was bleibt ist aber das Erlebnis MainFranken und die vielen großartigen Stunden in toller Natur und Landschaft. Rhön, Spessart, Steigerwald und Haßberge sind eine wunderbare Region, um einige Tage mit dem Fahrrad zu verbringen. Sportlich eine Herausforderung und durch die Vielfalt an Natur und Kultur eine tolle Tour-Gegend. Macht euch gerne selbst ein Bild, fahrt den MainFranken Graveller einfach mal nach oder im nächsten Jahr mit.

 

Ich könnte viel noch erzählen dir

Und singen von Berg und von Tal,

Doch nein, viel Worte erspar’ ich mir

Und frage nur eins noch einmal:

Ja, kennst du die herrliche Rhön noch nicht,

Gehorche dem Freunde, der zu dir spricht:

Zieh an die Wanderschuh,

Und nimm den Rucksack auf,

Und wirf die Sorgen ab,

Marschier zur Rhön hinauf!

 

 

 

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3 Comments

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  1. says: Frank Seidel

    Hallo Martin, danke für den Bericht. Kurze Frage: Wie bist du denn mit dem Tailfin im Gegensatz zur „normalen“ Ortlieb-Arschrakete zufrieden? Ich will einen Teil des European Divide Trails fahren und überlege, ob die Anschaffung lohnt. Danke! Viele Grüße Frank

    1. says: Phil

      Einmal Tailfin und du vergisst die Arschraketen ganz schnell. Bei Bestellung: Direkt alle erdenklichen Zubehörwünsche erfüllen. Versand kostet unglaublich viel!