Seit vielen Jahren werte ich die Räder und die Ausrüstung der Teilnehmer einiger der größeren Bikepacking Rennen aus. Die Grundlage dafür sind die “Rigs of…” Artikel von Bikepacking.com, wo einige Teilnehmer ihre Fahrräder vorstellen und kurz beschreiben.
Vor zwei Wochen habe ich euch Bikeanalytics Atlas Mountain Race 2024 vorgestellt und dabei 109 Bikes ausgewertet. Diese Daten sind als Information und Einordnung gedacht, damit man sehr gut sehen kann, welches Material und welche Ausstattung bei solchen Events zum Einsatz kommen.
Einige von euch baten aber darum, auch die Daten derjenigen, die es dann auch ins Ziel schaffen, auszuwerten. Das habe ich nun gemacht.
Von den 137 Finishern des Atlas Mountain Race 2024 konnte ich 77 Räder im Bikepacking.com Artikel “Rigs of Atlas Mountain Race” (Teil 1/Teil 2) ausgleichen. Das entspricht 71% der Räder aus dem Bikeanalytics Artikel vor dem Start.
Grundsätzlich sollte man bei Rennen dieser Art im Hinterkopf behalten, dass das Fahrrad und die Ausstattung nur ein Teil einer erfolgreichen Teilnahme sind. Der andere Teil besteht aus der mentalen Stärke, körperlichen Fitness, Gesundheit und schlicht und ergreifend Glück.
Bevor wir in die Details starten, hier noch mal die Originaldaten der Räder aller am Start stehenden:
Bikeanalytics Finisher Atlas Mountain Race 2024
Wie auch in der großen Analyse unter allen Startenden, fuhr die Mehrheit der Finisher Räder mit Carbon-Rahmen. Dahinter Stahl und Titan.
Nach den Daten sind aber mehr Teilnehmende mit Stahlrahmen ins Ziel gekommen, als mit Carbon-Rahmen. Der Anteil an Stahl-Rahmen lag bei 17% im Gesamtfeld, und der von Carbon bei 60%. Auch Titan hat etwas Federn gelassen (-2 Prozentpunkte).
Eine Frage kam auch noch zum Thema Federung. Von den Finishern waren 87% mit Federgabel unterwegs (im Vgl. 85% aus der ersten Analyse). Und 26% haben das Rennen auf einem Fully absolviert.
Beim Thema Lenker gibt es keine Unterschiede: 79% waren mit Flat Bar unterwegs, 21 mit Drop Bar. Allerdings liegt die Prozentzahl derjenigen, die mit Lenkeraufsatz gefahren sind mit 75% etwas höher, als der Aero-Anteil an der Startergruppe (71%).
Und auch bei der Nutzung von Nabendynamos sind keine Unterschiede festzustellen. Die Verteilung im Feld ist exakt wie bei der Startergruppe. Einzig der Anteil der SON Nabendynamos bei den Finishern ist mit 91% höher (im Vgl zu 86%).
SRAM konnte seinen Anteil im Finisher Feld noch etwas ausbauen: 57% der Räder im Ziel waren mit SRAM unterwegs. Bei der Häufigkeit der Schaltungsmodelle war allerdings die Shimano XT im Ziel leicht vor der SRAM GX. Und 5% (im Vgl zu 8% beim Start) der Schaltungen im Ziel waren SRAM Transmission.
Elektronisch waren 39% unterwegs und damit etwas mehr, als beim Start (37%).
Und auch beim Antrieb gibt es leichte Verschiebungen: die Mehrheit der Finisher war mit 12fach unterwegs (82% vs 79%). Bei der Kassettengröße bleibt die 10-52 als meistgenutzte Kassette vorne. Das hat auch mit SRAM als präferierte Schaltung zu tun.
Ebenso ohne große Veränderung bleibt vorne 1fach die erste Wahl, um ins Ziel zu kommen. Kombiniert mit einem 32er Tretkranz (26% vs 22%).
Nahezu alle Finisher waren mit 29 Zoll Laufrädern unterwegs. Lediglich 3% mit 700cc und 3% mit 27,5 Zoll. Die Mehrheit von 62% rollte auf Carbon-Felgen ins Ziel, 27% mit Alu-Felgen.
Bei den Reifen haben es scheinbar alle Mezcal an die Küste geschafft. Im Vergleich zur großen Auswertungsgruppe hat sich aber im Ziel Schwalbe an Conti vorbei auf Platz drei geschoben. Bei den Reifenmodellen blieb alles beim alten, mit Mezcal vor Ikon und Race King.
Die Reifenbreiten habe ich auch erfasst: 25% der Finisher, wie auch der Startenden, hatten 2,35″ breite Reifen.
Wer sich konkret nach Fahrrad-Marken orientiert, der hat offensichtlich gute Chancen auf einem Specialized zu finishen, gefolgt von Trek und Salsa. Ebenfalls oft im Ziel war Mason. Canyon taucht allerdings in dieser Liste nicht mehr auf, denn von den 8 Canyon am Start, haben es nach meiner Zählung nur 3 ins Ziel geschafft.
Und auch bei den Taschen gab es eine Verschiebung: Tailfin hat hier nun mit 39% bei den Finishern die Führung übernommen und sich vor Apidura mit 38% und Revelate mit 17% gesetzt. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass viele starke Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Tailfin unterwegs waren, teilweise als Tailfin R&D Fahrerinnen und Fahrer. Ich freue mich jedenfalls schon drauf, wenn diese Taschen dann auch erhältlich und testbar sind.
DAS AMR Bike 2024
Zusammenfassend kann man also sagen, dass – wenn man denn daran glaubt – ein Siegerbike beim AMR einen Carbon-Rahmen hat, Federgabel, 29 Zoll Laufräder mit Carbon-Felgen, dazu Vittoria Mezcal Reifen in 2,35″ Breite, mit einer mechanischen 12fach SRAM Schaltung (vermutlich GX) mit einer Kassette von 10-52 und vorne einem 32er Tretkranz. Als Lenker ist ein Flat-Bar montiert mit Lenkeraufsatz. Die Taschen kommen von Tailfin und es ist vermutlich ein Specialized.
Dann steht nun also dem Finish nichts mehr im Wege!
Ich denke für Viele hat die Wahl des Materials auch einen entscheidenden Einfluss auf die mentale Stärke und die Zuversicht, mit der sie bei Rennen an den Start gehen und diese bestreiten.
Man orientiert sich gerne an bekannten/erfolgreichen/medial präsenten Fahrerinnen und greift zu ähnlichen Produkten wie diese – teils sicher auch mangels Interesse daran, sich selbst mühselig in den Kaninchenbau der Materialwahl zu begeben. Das gibt einem das gute Gefühl, mit dem “richtigen” Material unterwegs zu sein. Zudem ist das Zugehörigkeitsgefühl zu einer ähnlich ausgestatteten Bezugsgruppe manchen wichtig – und das man nicht wegen “unüblicher” Gerätschaft skeptische/interessierte Aufmerksamkeit von Anderen an der Startlinie bekommt.
Gerade bei dieser Art von Herausforderungen, wo mentale Stabilität so wichtig ist, kann so das Material positiven Einfluss auf die Zuversicht und psychische Kondition haben – losgelöst von vermeintlicher oder tatsächlicher Qualität und Eignung der Produkte.
Hallo Martin,
vielen Dank für diese einmal wieder sehr informative und toll präsentierte Übersicht.
Da ich überhaupt keine der Top-Komponenten besitze, bringt es mich zu der Erkenntnis, dass ich da nix verloren hätte 😉
Für mich wäre auch mal interessant zu erfahren, welche Komponenten die Looser einsetzen, bzw. woran es bei Ihnen (technisch) gescheitert ist.
Hallo Heinz,
es würde dann auch nicht mit dem Mindset passen, denn es gibt bei diesen Events keine Loser.
Du siehst in der Auswertung bereits die Unterschiede zur Gesamtgruppe und könntest schnell sehen – wenn es denn ein Grund wäre – welche Komponenten bei denjenigen mehr vorhanden sind, die es nicht ins Ziel geschafft haben. Aber wie gesagt sind diese technischen Details selten allein entscheidend.
Und bezüglich der “Top Komponenten”: das ist alles ein Entwicklungsprozess, den man automatisch durchmacht, wenn man sich für solche Events und Herausforderungen interessiert. Das fängt langsam an und je mehr Erfahrungen man sammelt, desto mehr kommt man dann zu diesen Komponenten. Die hat man nicht, weil es cool ist, sondern weil sie den Anforderungen standhalten und sicherstellen, dass so viel Kraft als möglich in den Vortrieb geht. Daher wählen die Leute immer auch die eher gleichen Komponenten.
Viele Grüße,
martin
Naja, denke mal das Material spielt bei derartigen Events eine total untergeordnete Rolle. Dazu sind die Abstände einfach viel zu groß und das Rennen von zu vielen anderen Ereignissen abhängig, welche kaum direkt mit dem Material zu tun haben dürften. Bei den Rennen sind ja mehr oder weniger Amateure am Start, aber wie Du selber schreibst nutzen natürlich kleine spezialisierte Firmen wie “Taifin” oder Adipura solche Veranstaltungen, um ihre Produkte zu promoten, indem es für die erfolgreicheren Leute der Szene nicht schwer ist, das Material kostenlos zu bekommen (viel mehr wird es da nicht geben ausser kostenlosem Material, außer in Ausnahmen), Außerdem ist es eben ziemlich teuer, regelmässig an solchen Events, am besten noch weltweit, teilzunehmen: Wer kann sich das finanziel und zeitlich schon leisten, dazu am besten noch regelmässig? Jemand der so was finanziel stemmen kann, der kann sich auch locker einen Carbon Rahmen leisten…
Looser…hartes Wort… ich habe beim vergangenen HMR gelernt das ich inzwischen eine Federung brauche und die Übersetzung deutlich leichter wie auf heimischen Testfahrten gewählt werden muss. Bis zum Checkpoint 3 hat es für mich gereicht. Mal sehen wie es dieses Jahr läuft 😉
… und es muss ein Justinas drauf sitzen.
Wenn man gewinnen möchte, ja. Wenn man ankommen möchte, nicht unbedingt.