Reiseradler-Interview #45: Franziska „von den Socken“

Camp in Polen // @Franziska von den Socken

„Hallo, ich bin Franziska und hättest du nicht mal Lust auf ein Reiseradler Interview mit mir?“ Aber klar doch, denn mal abgesehen von der sympathischen Anfrage, hat Franziska schon 47 Länder bereist, elf davon mit dem Fahrrad entdeckt und in fünf gelebt. Nach dem ersten Corona Lock-Down radelte sie nach Polen und ist dann einfach weitergefahren. Und zwar so weit, dass sie auch am Nordkap war. Wie das mit einem Fahrrad für 50 Euro ging und warum Georgien ein empfehlenswertes Radreiseland ist, das könnt ihr nun im Reiseradler-Interview lesen. Herzlich Willkommen Franziska!

@Franziska von den Socken

 

Zum Warmwerden: Wie bist Du zum Radreisen gekommen?

Das Radreisen ist einfach so passiert. Vor 20 Jahren bin ich mit zwei Schulfreunden völlig chaotisch mit einem einfachen Stadtrad und wasserdurchlässigen Taschen von Dresden nach Rügen gefahren. Die Tour sollte eigentlich bis Schweden gehen, aber ich bin gegen einen Poller gefahren und musste (mit zwar keinen Schäden an mir, dafür einem völlig kaputten Fahrrad) die Rückreise vorzeitig mit dem Zug antreten. Vor einigen Jahren habe ich angefangen mir Blogs von Leuten durchzulesen die mit dem Fahrrad um die Welt gefahren sind. Dabei haben mich besonders die Geschichten von Frauen in Afrika oder anderen abenteuerlichen Orten angesprochen, die alle sehr gut allein zu Recht zu kommen schienen. Was die können kann ich auch! Also habe ich mein Fahrrad etwas aufgepeppt und bin losgefahren. Erst nur in Deutschland und dann auch in anderen Ländern.

Lettland // @Franziska von den Socken

 

Zum Träumen: Wo warst Du schon überall und wo musst Du unbedingt noch hin?

Insgesamt war ich bereits in 47 Ländern auf fünf Kontinenten unterwegs. In der Antarktika und in Südamerika war ich leider NOCH nicht. Mit dem Fahrrad war ich bisher in elf Ländern auf Tour. Im Sommer 2018 bin von Dresden über Tschechien immer an Flüssen entlang nach Innsbruck geradelt. Die Strecke hatte ich mir extra ausgesucht, weil ich dachte bei Flussradwegen ist die Landschaft nicht so hügelig. Spätestens der Moldauradweg im tschechischen Böhmen hat bewiesen, dass meine Theorie falsch war. Einige Monate später wollte ich dem grauen Winter in Deutschland entfliehen und ausprobieren, wie es ist mein Fahrrad im Flugzeug zu transportieren. Also bin ich zu einer Inselumrundung nach Zypern aufgebrochen. Die Fahrradmitnahme fand ich leider mit den vielen Verpackungsregeln letztendlich doch nicht so einfach wie erhofft. Daher bin ich im Sommer 2019 wieder Radwege in Deutschland gefahren und war von Dresden auf dem Elberadweg bis nach Cuxhaven und anschließend weiter auf dem Weserradweg nach Bremen unterwegs.

Ostsee-Strand in Polen // @Franziska von den Socken

Deutschland hat definitiv auch eine Menge zu bieten! Diesen Sommer wollte ich nur kurz für ein paar Tage zum Baden nach Usedom fahren. Dann ging nach der Coronaschließung die Grenze zu Polen wieder auf. Da ich dort vorher noch nie war und die polnische Ostsee auch schöne Badestrände hat bin ich weitergefahren. Nach einigen Tagen in Polen stand ich vor der litauischen Grenze, wo ich vorher auch noch nie war und bin wieder einfach weitergefahren. Weiter, immer weiter: Lettland, Estland, Finnland, Norwegen (inklusiv dem Nordkap) und Dänemark. Nach 4,5 Monaten und 7995,49 km bin ich in Hamburg eingerollt, wo ich meine Reise beendete. Ich war also letztendlich an vielen Ostseestränden baden 🙂

Wo ich unbedingt noch hin muss? Ich reise überall hin, wenn sich die Möglichkeit ergibt! Aber im Balkan war ich noch nie und mit dem Fahrrad durch Afrika zu fahren ist auch ein reizvolles Abenteuer.

 

Zum Nachmachen: Welches Land kannst Du empfehlen und warum?

Als generelles Reiseland kann ich Georgien empfehlen. Dort habe ich drei Jahre gelebt und habe viele Tourenfahrer getroffen. Ich glaube mittlerweile ist es kein Geheimtipp mehr, sondern es hat sich herumgesprochen, dass das Essen super schmeckt, die Georgier sehr gastfreundlich sind, die Landschaft mit ihren hohen Bergen traumhaft ist und man kein Visum bei der Einreise benötigt. In Kirgisistan sind mir auch sehr viele Radreisende begegnet. Meistens haben sie mir erzählt, dass sie ohne große Erfahrungen in Europa starteten und sich das Radreisen auf dem Weg nach Zentralasien quasi selber beigebracht haben. Das hat mir gezeigt, dass man eine Radtour gar nicht besonders planen muss.

Am Nordkap // @Franziska von den Socken

Von den Ländern die ich bisher radelnd kennengelernt habe kann ich jedes empfehlen. Es kommt immer darauf an nach was der Reisende sucht. Dänemark ist mit seinen vielen Radwegen und kostenlosen Schutzhütten zum Übernachten besonders für Einsteiger gut. Außerdem ist zumindest die Westküste sehr flach – aber windig! Die norwegische Landschaft ist traumhaft, dafür sind die dortigen Berge hoch und anstrengend. Im Baltikum gibt es wunderbare alte Hauptstädte beziehungsweise generell viel zu entdecken und in Tschechien schmeckt das Bier gut!

 

Zum Erfahren: Was hat Dich am meisten unterwegs beeindruckt?

Speziell auf meiner langen Radreise diesen Sommer haben mich, einmal wieder, die Menschen am meisten beeindruckt. In allen Ländern sind mir die Leute stets freundlich begegnet und haben mir selbstlos geholfen. Ich hatte nie schlechte Begegnungen oder war in Situationen, in denen ich mich unwohl gefühlt habe. Ein besonderes Erlebnis gab es in Norwegen. Es war spät am Abend und ich war schon den ganzen Tag gefahren und dementsprechend müde. Ich hatte mir auf meiner Karte eine Wiese zum Zelten ausgesucht, jedoch bis dahin waren es noch einige Kilometer.

Norwegen // @Franziska von den Socken

Meine Motivation hielt sich somit in Grenzen. Außerdem hatte ich keine große Lust auf eine kalte Nacht im Zelt und wieder einen Tag ohne Dusche. Plötzlich winkte mir ein Mann auf der anderen Straßenseite zu und gab mir im gebrochenen Englisch zu verstehen, dass ich in seinem Haus übernachten kann. Ich gebe es zu das ich kurz gezögert habe ob ich mit dem Fremden mitgehen soll. Aber dann habe ich die Einladung angenommen und neben einem warmen Bett und der Möglichkeit zu duschen sogar noch ein stärkendes Abendessen bekommen. Nach einem norwegischen Bier wurde auch das Englisch des Mannes besser und es hat sich herausgestellt das er öfter Fahrradfahrer, die er auf der Straße trifft zu sich nach Hause einlädt und ich somit nicht sein erster Gast war. Einfach weil er nett ist und Menschen helfen will. Ich sage natürlich nicht, dass jede Alleinreisende Frau die Einladung von jedem fremden Mann annehmen soll. Aber ich glaube die Welt und die Menschen sind besser und freundlicher als sie im Allgemeinen dargestellt werden.

 

Zum Leben: Bist Du lieber alleine unterwegs, oder zu zweit? Und warum?

Ich war auf meinen Reisen bisher immer allein unterwegs. Aber ich finde das alleine fahren nicht schlimm. So kann ich exakt in meinem Tempo fahren, die Strecke bestimmen und Pausen machen, wann ich will. Außerdem quäle ich mich lieber alleine steile Berge hoch. Da hört wenigstens niemand wie ich fluche. Am Abend ist es jedoch nett mit anderen Radreisenden am selben Ort zu zelten oder mit einem Warmshower-Gastgeber gemütlich zusammen zu sitzen.

Allein in Norwegen // @Franziska von den Socken

 

Zum Fahrrad: Stell es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Deinem Rad dran?

An meinem Rad ist nicht viel dran. Ich habe es vor einigen Jahren für 50 Euro einem Freund abgekauft und dieser hat es vorher ebenso gebraucht gekauft. Mein Fahrrad ist von Kwadie, einer kleinen Firma in Bielefeld, und ist circa 35 Jahre alt. Ich habe einen Brooks Sattel dran gebaut, die 7 Gang Schaltung (!) erneuert, Schwalbe Marathon Plus Mäntel aufgezogen und zwei Flaschenhalter angebracht. Mehr nicht!

Freiheit für 50 Euro //@Franziska von den Socken

 

Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?

Nein, zum Glück nicht! In Tallin habe ich die Kette gewechselt und in Norwegen neue Bremsbeläge gekauft. Auf Grund der vielen Bergabfahrten verschleißen diese dort schnell. Ansonsten fahre ich insgesamt schon über 11.000km ohne Platten und bin ziemlich froh darüber!

@Franziska von den Socken

 

Zum Lernen: Du fährst als Frau alleine durch die Welt. Welche Herausforderungen bringt das mit sich und welche Tipps hast Du für andere Frauen?

Ich sehe es nicht als Herausforderung an allein als Frau auf Tour zu sein. Deshalb überrascht es mich auch jedes Mal, wenn mich Leute fragen ob ich ohne Begleitung unterwegs bin. Diese Frage wird mir ungefähr so häufig gestellt wie die Frage nach meinen Tageskilometern. Und jeder Radfahrer weiß, dass dich alle Leute nach deinen Tageskilometern fragen. Meine größte Sorge ist das etwas mit meinem Fahrrad passiert was ich nicht allein reparieren kann. Aber ich weiß, so etwas kann man lernen und es gibt viele Frauen, die technisch begabter sind als Männer.

Franziska in Estland // @Franziska von den Socken

Ich hatte auch nie Angst allein irgendwo im Zelt zu übernachten. Man beziehungsweise „Frau“ gewöhnt sich an alles. Als kleine Absicherung lege ich immer mein Messer neben das Kopfkissen. Jedoch um ehrlich zu sein ist dieses ziemlich stumpf und würde mir im Notfall nicht viel nützen. Außerdem versuche ich beim wild zelten mein Zelt so aufzubauen, dass es nicht entdeckt wird. Wahrscheinlich ist es auch gut, dass ich ein Herrenfahrrad habe und somit niemand der mein Zelt sieht erkennt, dass darin eine Frau liegt. Mein bester Tipp für alle Lebenslagen ist immer auf sein Bauchgefühl zu hören. Dieses hat mich noch nie falsch beraten!

 

Zum Durchhalten: Wie motivierst du dich in der aktuellen Corona-Zeit?

Meine Motivation Radreisen zu unternehmen ist auch in Corona-Zeiten ungebrochen. Für meine diesjährige Sommertour habe ich unbewusst den perfekten Zeitpunkt abgepasst. Alle Grenzen waren offen und ich hatte nie Probleme von einem Land ins andere zu fahren. Um ehrlich zu sein habe ich auf meiner Reise wenig von den Coronaentwicklungen mitbekommen. Als ich im Baltikum und in Skandinavien war gab es dort nicht einmal eine Maskenpflicht. Aber natürlich gibt es in Finnland oder Norwegen weniger Menschen und somit Ansteckungen.

Norwegen // @Franziska von den Socken

Die Einheimischen haben jedoch erzählt, dass in diesem Sommer viel weniger Tourenfahrer unterwegs waren. Dafür fuhren mehr Wohnmobile herum. Trotzdem hatte ich das Nordkap neben ein paar anderen Reisenden fast für mich allein, weil die vielen Bustouristen nicht da waren. Für das Knipsen des Siegerfotos war das natürlich super! Generell kann ich das autarke Radfahren speziell in der Pandemie-Zeit sehr empfehlen. Mit Kocher und Zelt ist man unabhängig und kann Menschen meiden. Außerdem ist man an der frischen Luft und stärkt sein Immunsystem.

 

Zum Wissen: Dein ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?

Einfach machen beziehungsweise losfahren und nicht so viel darüber nachdenken „was wäre, wenn“. Irgendwie funktionieren die Dinge am Ende meistens sowie so und man kommt mit tollen Erlebnissen und schönen Fotos zurück. Und wenn doch irgendetwas schief gehen sollte – zumindest in Europa gibt es viele Bus- und Zugverbindungen, die einen unkompliziert und schnell wieder nach Hause bringen.

Norwegen // @Franziska von den Socken

 

Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?

Ich bin immer recht schnell losgefahren. Das heißt ich habe spontan eine Entscheidung getroffen, wo es hingehen soll, habe rasch meine Sachen gepackt (Ob ich eine Woche oder vier Monate unterwegs bin ist egal. Die Sachen, welche ich brauche, sind dieselben.) und bin losgefahren. Ich buche nie Unterkünfte im Vorfeld und finde es auf der anderen Seite sogar spannend am Morgen nicht zu wissen, wo ich am Abend schlafen werde. Das Losfahren ist somit für mich einfach. Wenn ich wiederkomme muss ich mich plötzlich wieder im „normalen“ Alltag eingliedern was ich viel schwieriger finde.

Am Polarkreis // @Franziska von den Socken

 

Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?

Eine Freundin hat mir gerade ihr Gravel Bike für ein paar Wochen geliehen und ich bin absolut begeistert von dieser Art des Fahrens. Meine nächsten Planungen gehen also in diese Richtung. Schließlich gibt es noch 147 weitere Länder zu entdecken!

In Finnland // @Franziska von den Socken

 

Hier findet ihr Franziska auf Instagram!

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