So vielfältig kann einfach sein: Testfahrt mit dem Surly Bridge Club

So vielfältig kann einfach sein: Testfahrt mit dem Surly Bridge Club

Hinweis

Mir wurde das Surly Bridge Club auf meinen Wunsch hin vom deutschen Surly Vertrieb Cosmicsports zum Test zur Verfügung gestellt. Und nun berichte ich ausführlich darüber. Das ist somit Werbung und nix für zarte Gemüter. Habt Spaß!

Mein erster Eindruck war: Gemütlich. Mein zweiter: Vielfältig. Mein dritter: Einfach.

Das Surly Bridge Club offenbart erst auf den zweiten Blick, was alles in ihm steckt. Und das ist eine Menge: Ein MTB, ein Reiserad und auch ein bisschen Trekkingrad. Was es sein soll, hängt einzig von der Fahrerin oder dem Fahrer und der dann jeweils passenden Ausstattung ab. In jedem Fall ist das Bridge Club sehr anpassungsfähig und fühlt sich auf Asphalt, graveligen Waldautobahnen und leichten Trails wohl.

Off-Road und Straße mit einem Rad sind kein Problem – und das ist von Surly durchaus so gewollt, denn das Bridge Club soll tatsächlich eine Brücke schlagen zwischen dem eher klassischen Reiserad Long Haul Trucker und den Off-Road/Bikepacking Modellen ECR, Troll und Ogre.

„Ein Surly muss drei Dinge können: Es muss nützlich sein, ein Leben lang halten und vielseitig einsetzbar sein“

Inwieweit das Brücke schlagen überhaupt nötig ist, muss jeder selber entscheiden. In jedem Fall kauft man mit dem Bridge Club ein Rad, mit dem man sich auch weiterentwickeln kann, beispielsweise vom flinken Asphalt-Ross mit 700cc Bereifung hin zu einem geländetauglicheren Off-Road MTB mit 650B Schlappen. Oder umgekehrt. Und alles was dazwischen passt.

 

Rahmen & Geometrie: Schwer, aber offen für alles

Schauen wir uns mal den Rahmen an: Unabhängig von der Serien-Ausstattung lohnt es sich durchaus, nur das Rahmenset für einen Selbstaufbau in Betracht zu ziehen.

Das Bridge Club ist eine Hommage an die gute alte Zeit vor Carbon und Trallala und steht sprichwörtlich für den berühmten Satz: „Steel is real!“.

Steel is real – und sehr blau!

Bei Rahmen und Gabel kommen 4130 Cromoly Rohre, doppelt konifiziert und ordentlich geschweißt zum Einsatz. Das macht das Rad sehr stabil, allerdings auch recht schwer.

Ich habe leider keine Angaben zum Gewicht des Rahmensets inklusive Gabel gefunden, aber der Rahmen soll um die 2,5kg wiegen (zzgl. Gabel) und das Komplettrad bringt inklusive Pedalen 15,4kg auf die Waage (nachgewogen).

Surly hat das Bridge Club in seiner Geometrie für ein aufrechteres Fahren konzipiert. Das ist vor allem bei längeren Touren von Vorteil. Das Testrad hatte Rahmengröße LG, dessen Oberrohr mit seinen 591,5mm Länge für mich mit 1,83m Körpergröße und einer Schrittlänge von um die 80cm eher kurz erschien, aber nicht unangenehm zu fahren war. Dafür hat Surly dem Bridgclub einen langen Vorbau spendiert und einen geraden Lenker.

Einfach vielfältig

Die Einfachheit als Konzept zeigt sich auch im geraden 1 1/8 Zoll Steuerrohr, in der Verwendung von Schnellspannern und dem Einsatz eines guten alten 4-Kant-Tretlagers. Und: Der Rahmen hat noch die klassische IS-Bremskörper Befestigung, aber entsprechende Adapter liegen heutzutage eigentlich bei allen passenden Bremskörpermodellen bei. Bei diesem Rad wird also nicht experimentiert, sondern der Fokus auf das Bewährte gelegt.

IS-Bremsaufnahme an der Bridge Club Gabel

Allerdings nicht ganz, denn Surly hat das Bridge Club um eine 141mm Boost-QR-Nabe (Schnellspanner) herum konstruiert. Der Boost gibt dem Rad mehr Steifigkeit, erlaubt breitere Reifen und ist vor allem im MTB-Bereich immer mehr verbreitet. Allerdings werden dort Steckachsen und damit Boost Größen von 148mm Naben eingesetzt. (Korrigiert mich, wenn ich das falsch eingeordnet habe).

Beim Bridge Club ist der Rahmen hinten auf eine Breite von 138mm ausgelegt. Allerdings hat dort Surly das sogenannte Gnot Boost QR „eingebaut“, was eine Verwendung von 141mm Boost-QR als auch 135 Standard-QR Naben erlaubt. Denn Gnot Boost bedeutet, dass dem Rahmen hinten eine Flexibilität gegeben wurde, um sich pro Seite 1,5mm nach außen oder innen biegen zu lassen und sich damit der jeweiligen Nabenbreite anzupassen.

Hier wird das noch mal gut und Surly-like erklärt:

 

Freunde der Nabenschaltung werden am Bridge Club ebenfalls ihre Freude haben, denn eine Rohloff kann mit der OEM2-Achsplatte und dem Rohloff M5-Adapter montiert werden. Allerdings braucht es einen extra Kettenspanner und es ist nur der Einbau von Rohloff Naben mit QR-Achse und nicht mit A12 Steckachse möglich.

 

Rahmen-Ausstattung: Alles für alle Fälle

Besonders auffällig sind die „Seepocken“ am Bridge Club. Insgesamt 30 Ösen machen es dem Fahrer möglich so ziemlich alles dranzuschrauben, was geht: Gepäckträger, LowRider, Pizzaracks, Schutzbleche, Vorderradgepäckträger, Anything Cages, Flaschenhalter (3x am Rahmen) und so weiter.

Das Lifecycle Magazin hat in seinem Test so schön geschrieben: Wenn man die ganzen Schrauben aus den Ösen holt, verliert das Rad sicherlich deutlich an Gewicht.

 

Fatties Fit Fine

Vielfalt bietet das Bridge Club ebenfalls bei den Rädern und Reifen: Das Rad wurde hauptsächlich für 650B (27,5 Zoll) x 2.4 Zoll breite Reifen entwickelt.

FFF

Beim Testrad sind die 2,4 Zoll breiten WTB Riddler drauf. Das macht das Rad auf normalem Terrain etwas behäbiger, aber sobald es ins Gelände oder auf groben Schotter geht, legt es richtig los, macht Spaß und bietet guten Grip auf dem Trail.

Wer das Bridge Club etwas flotter fahren möchte und mehr als Reiserad einsetzen will, der kann es auch mit 700cc Rädern mit Reifen bis zu 47mm Breite fahren. Das ist einiges.

Fatties fit fine

Aber damit ist noch nicht Schluss, denn Fatties Fit Fine bedeutet, dass am Bridge Club bei 650B auch fette Schlappen bis zu 2,8 Zoll Breite drauf können (2,6 Zoll mit Schutzblechen), oder bei 26 Zoll sogar bis zu 3 Zoll.

 

Die Serien-Ausstattung: Preiswert und solide

Das Surly Bridge Club kann man komplett schon für 1.300 Euro kaufen. Damit ist dieses Rad preislich durchaus attraktiv. Aber was bekommt man für das Geld? Neben dem bereits diskutierten Rahmenset – welches aus meiner Sicht sehr zu empfehlen ist – hat Surly am Serienmodell ebenfalls auf bewährte Einfachheit gesetzt.

Solide und präzise: die SRAM X5 Shifter

Das meine ich gar nicht negativ, denn mit der SRAM Schaltung und den mechanischen Bremsen ist das Bridge Club sofort für fast alles verlässlich einsetzbar.

Geschaltet wird mit einer SRAM 2×10 X5/GX Kombination auf 36/24 vorne und 11-40 hinten. Die Schalthebel sind SRAM X5, das Schaltwerk ein SRAM GX 2.1 (welches ich sehr schätze und ebenfalls am Bombtrack fahre) und vorne arbeitet ein X5 Umwerfer.

Mittlerweile hat Surly beim 2020 Modell „Grandma´s Lipstick“ dem Bridge Club eine SRAM SX Eagle spendiert und schaltet 1×12 mit 11-50er Kassette. Die „Illegal Smile“ Version mit 700cc Reifen gibt es mit 1×11 Shimano Deore, geschaltet auf 34/11-42 und die „Diving Board Blue“ Version ist wie das hier vorgestellte Testrad mit einer 2×10 SRAM X5/GX Kombination von 36/24 vorne auf 11-40 hinten ausgestattet.

2×10 mit Truvativ Kurbel auf 4-Kant Innenlager

Mit dieser Übersetzung kommt man ganz gut die Berge rauf und kann auch in der Ebene ballern. Ich habe mir ab und zu aber doch vorne einen größeren Kranz gewünscht. 38 wären prima, um mehr Speed machen zu können. Aber grundsätzlich setzt Surly mit der X5/GX auf eine wartungsarme Schaltung, die zuverlässig ihren Dienst versieht. Ich empfand das Schalten als knackig und präzise. Kein Grund zur Beschwerde.

Gebremst wird das Testrad mit mechanischen Promax DSK-300 Bremsen auf 160mm Scheiben. Als Bremshebel sind Avid verbaut. Anfänglich war ich nicht so angetan von der Bremsleistung der Promax, aber nach ein paar Kilometern und ein paar ordentlichen Bremsungen im Gelände war ich dann doch überzeugt: es ist zwar nicht die beste mechanische Scheibenbremse, aber sie liefert ordentlich ab und kann zuverlässig Fahrer und Stahlross samt Gepäck verlässlich abbremsen.

Bremshebel von Avid

An den 2020er Modellen mit 1×12 und 1×11 kommen hydraulische Tektro HD-M275 Bremsen zum Einsatz.

Wie auch in anderen Testberichten zum Bridge Club zu lesen, ist der Lenker am Testrad nicht so optimal. Surly hat hier den Salsa Bend Lenker verbaut, der nicht wirklich bequem ist. Irgendwie ist man oft auf der Suche nach der richtigen Griffposition und ich habe mir schnell einen bequemeren Lenker oder zumindest Hörnchen gewünscht.

Der Salsa Bend Lenker

Bei dem 700cc Modell und beim SX Eagle Modell kommt der Surly Terminal Bar zum Einsatz, der etwas variabler aussieht.

Und: Wer das Bridge Club mit Drop Bar fahren möchte – das ist laut Surly möglich.

 

Mein Bridge Club…

… hätte vermutlich einen Jones Bar. An den habe ich die ganze Zeit beim Fahren gedacht: dieses Rad wäre ideal für einen solchen Lenker. Und wenn man schon mal beim Aufbau ist, dann würde ich dem Bridge Club eine SRAM NX Eagle oder die neue Shimano Deore 12fach spendieren.

Bei den Reifen würde ich bei 650B auf 2,2 Zoll Mäntel setzen und vorne ans Rad den Surly Front Rack bauen. Oder vielleicht doch mit 700cc und schlanken Gravel Reifen?

 

Fazit

Das Surly Bridge Club ist ein interessantes Rad für alle, die sich zwischen Radreisen und Bikepacking nicht entscheiden können – oder wollen – oder denen es einfach egal ist und die einfach nur mit Gepäck Rad fahren wollen – egal ob auf der Straße oder Off-Road.

Für nur 1.300 Euro bekommt man ein Rad, das mit wenigen Ergänzungen ein Reiserad für die große Tour oder ein Abenteuerrad für den Bikepacking-Trip sein kann. Ideal also für Einsteiger und für Stahl-Liebhaber.

Ob Radreise oder Bikepacking – macht beides Spaß mit dem Rad

Bei einem Gesamtgewicht von 15,5kg braucht es auch einiges an Zuneigung für diesen Werkstoff, aber dafür bekommt man ein sehr solides (im positiven Sinne) und belastbares Rad, dass mit einem fast überall hinfährt.

Und das Schöne: Es beschränkt die Fahrerin und den Fahrer nicht auf eine Art des Radfahrens oder -reisens, sondern ist offen und vielfältig.

Mir hat das Bridge Club gut gefallen, wenn auch es mir etwas zu schwer war. Auf der Straße rollt es gutmütig dahin, aber es braucht bei den 2,4 Zoll breiten Reifen auf 650B schon etwas mehr Kraft. Im Gelände hingegen wird es agil und lässt einen sicher durch den Wald und auf Trail fetzen.

Das Rahmenset ist durchaus einen Kauf wert

Unabhängig von der Serienausstattung finde ich das Rahmenset (um die 600 Euro) interessant und würde das für einen Selbstaufbau durchaus in Betracht ziehen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und so kann jeder am Ende sein individuelles Bridge Club fahren, ohne dabei große Einschränkungen in der Ausstattung zu haben.

Das Rad ist unauffällig, einfach und sehr vielfältig. Es macht Spaß damit zu fahren und ich kann euch eine Testfahrt nur empfehlen.

Das Surly Bridge Club gibt es 2020 in den Farben: Tolles Rot aka „Grandma´s Lipstick“ und schönes Schwarz aka „Dark Black“ mit der SRAM SX Eagle 1×12. Mintgrün aka „Illegal Smile“ mit Shimano Deore 1×11, Hellblau aka „Diving Board Blue“ und nochmal in Schwarz aka „Dark Black 2x“ mit SRAM X5/GX 2×10.

Pro:

  • Rahmenset mit wirklich vielen Möglichkeiten und Ösen
  • Einfache, aber bewährte und wartungsarme Ausstattung
  • Fatties fit fine für viele Reifenbreiten
  • Preis
Con:

  • Gewicht
  • Lenker am Serienmodell nicht wirklich passend
  • Schnellspanner
  • 141mm Einbaubreite der Hinterradnabe ist kein Standard und nicht einfach verfügbar; 135mm schon eher.

 

Ausstattung Surly Bridge Club Testrad

  • Rahmen: 4130 Chromoly
  • Gabel: 4130 Chromoly, 420 x 43mm
  • Hinterrad Nabe: “Gnot-Boost” 138mm / 10 x 135mm or 10 x 141mm
  • Vorderrad Nabe: 10x100mm
  • Steuersatz: Cane Creek 40, 1-1/8″
  • Vorbau: ProMax 4 bolt, 31.8mm
  • Lenker: Salsa Bend
  • Felge: WTB ST i29; 27,5“ (650B)
  • Reifen: WTB Riddler 2.4”
  • Schalthebel: SRAM X5
  • Bremshebel: Avid
  • Schaltwerk: SRAM GX 2.1
  • Umwerfer: SRAM X5
  • Innenlager: FSA Square Taper
  • Kurbelgarnitur: Truvativ 36/24t
  • Kassette: Sunrace 11-40t, 10 speed
  • Bremsen: Promax DSK-300
  • Bremsscheiben: 160mm (180mm hinten max, 203mm vorne max)
  • Sattel: WTB Volt Sport

 

Weitere Testberichte zum Surly Bridge Club

Velomotion Magazin zum Bridge Club: https://www.velomotion.de/magazin/2018/09/first-ride-surly-bridge-club-2018-vielseitiges-tourrenrad-fuer-jedermann/

Die FAZ über das Bridge Club: https://www.faz.net/aktuell/technik-motor/technik/fahrbericht-surly-bridge-club-16351450.html

Das Lifecycle Magazin zum Surly: https://lifecyclemag.de/surly-bridge-club/

Stahlrahmen Bike Blog: https://stahlrahmen-bikes.de/randonneur-reiserad/surly-bridge-club

Bikepacking.com über das Bridge Club: https://bikepacking.com/bikes/surly-bridge-club-review/

Bikeradar Langzeit-Test des Bridge Club: https://www.bikeradar.com/reviews/bikes/touring-bikes/surly-bridge-club-long-term-review/ 

 

 

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2 Comments

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  1. says: TM1ka

    Hallo
    meine persönliche Meinung ist so ein Radgewicht viel zu hoch. Wer sagt das es viel mehr aushält als ein leichteres?
    Ich habe mir Anfang des Jahres ein Bombtrack Bejond +1 gekauft. (weil es -45% gekostet hat)
    RH L -ich dachte es wird schon irgendwie gehen. Das kann man nach einer Proberunde auch nicht zu 100% sagen. Fazit – doch zu klein. Umbau auf Langen Vorbau, höherer Lenker. Dann die unfahrbaren 27,5 + 2,8 WTB auf 29 Zoll 2,25 getauscht, und es passte immer noch nicht. Das Absteigen wurde zur Qual, weil das Tretlager jetzt auch um 15 mm min. höher war.
    Die 1×11 NX mit 30 vorne und 11-42 war auch zu langsam. Tausch auf 32 brachte schon Vorteile. Das nackte Rad hatte immer noch 14 schwere Kilo ohne Gebäck – Licht usw.
    Nach einigen Testfahrten zog ich die Reisleine und verkauftes es wieder.
    Jetzt fahre ich das Sonder Camino als Gravel/ Reise und Stadtrad mit Licht Gebäckträger auch fast überall mit wesentlich weniger Gewicht.
    Fazit II: nie wieder eine falsche Rahmenhöhe, nie wieder 27,5 + 11-42 viel zu schwach., wenn dann 2x 11

  2. says: Pepp Peppinger

    Das Gewicht von 15,4 kg ist ja top für so ein solide gebautes Rad, das so viel Unterschiedliches kann! Wäre es sehr viel leichter, dann wäre es ja fahrlässig. Finde ich lässig. Das Gewicht ist die Sicherheitsreserve dafür, dass es nicht mal unterwegs wo liegen bleibt 😉