Georgien: ein Land zwischen Europa und Asien, mit uralter Kultur und bewegter Geschichte, eingerahmt zwischen Schwarzem Meer, Großem und Kleinen Kaukasus. Hier suchte Jason nach dem goldenen Vlies, hier wird seit 8.000 Jahren Wein angebaut und getrunken und hier wurden Stalin und Beria geboren.
1.250 Kilometer radelte ich durch das ehemalige Iberien, 15 Tage von Ende März bis Mitte April. Von Ost nach West und wieder zurück. Durch Schnee, Regen, Sturm und Sonnenschein. Mit Temperaturen von -5 Grad bis +23 Grad. Auf gut ausgebauten Autobahnen und scheinbar längst vergessenen Pisten. Und erlebte ein Land, noch wild, im Anfang, touristisch ungeschliffen, ursprünglich, post-sowjetisch, mit ungemein gastfreundlichen Menschen, einer sehr guten Küche, leckerem Wein, beeindruckenden Landschaften und historischen Sehenswürdigkeiten.
In einzelnen Kapiteln werde ich euch von meinen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen. Im vierten Teil machen wir eine Stadtrundfahrt durch Tiflis, tauchen in das georgische Christentum ein und müssen uns mit viel Müll rumschlagen…
“Tbilisi loves you”
Wer Georgien bereist, sollte auch ein paar Tage in Tiflis verbringen. Mich hat diese Stadt fasziniert, denn sie ist eine gelungene Mischung aus Geschichte, sowjetischer Ära, moderner Gegenwartsarchitektur und ungemein gastfreundlicher Menschen. Auf wenigen Metern kann man hier Kirchen aus dem 10. Jahrhundert bewundern, Verwaltungsgebäude aus Zeiten der UdSSR entdecken und ultramoderne Brückenarchitektur bestaunen.
Besonders in den zahlreichen mittelalterlichen Kirchen kann man in die Zeit der frühen Christianisierung Georgiens eintauchen. Im Inneren sind diese Kirchen sehr prunkvoll geschmückt, und die vielen Ikonen und Heiligenbilder geben einen Eindruck von der tiefen Gläubigkeit der Menschen. Mir hat vor allem die Antschischati-Kirche aus dem 6. Jahrhundert imponiert.
Klein und fast unscheinbar liegt sie inmitten der Altstadt. Geht man aber durch das alte Tor und steigt die Stufen hinab, so tritt man ein in einen prachtvollen, von Ikonen und Wandteppichen ausgestatteten Raum. Immer wieder kommen Menschen herein, stecken eine Kerze an und beten vor den Bildern der Heiligen.
Wieder draußen, sieht man hoch oben über der Stadt die Nariqala Festung. Errichtet im 4. Jahrhundert, prägt sie das Stadtbild hier im Zentrum Tiflis.
Übertroffen wird sie durch den gigantischen Fernsehturm und das Riesenrad des Mtatsminda Vergnügungsparks auf dem 730 Meter hohen Mtazminda Berg. Ein Besuch dieses Freizeitparks lohnt sich nicht nur wegen des Blicks über die Stadt und der Skurrilität des Parks, sondern auch, weil man mit einer kleinen Zahnradbahn hinauffährt. Die Fahrt kostet nur wenig Geld und man kann an einer Zwischenstation aussteigen, um das Pantheon, in dem einige berühmte georgische Dichter und Staatsmänner begraben sind, erkunden.
Tiflis ist eine sehr offene, herzliche und moderne Stadt. Begrüßt wird man mit einem leistungsstarken, offenen Wlan, welches „Tbilisi loves you“ heißt. Auf breiten Straßen und Boulevards kann man die Stadt entdecken und muss nie weit laufen, um etwas zu entdecken. Vor allem ein Spaziergang entlang des Kura Flusses und der Altstadt lohnt sich.
Zwischendurch holt man sich einen Kaffee und setzt sich auf eine Bank und beobachtet das Treiben. Es gibt viele Märkte, auf denen man sich mit Essen versorgen kann und die billiger sind als die Supermärkte westlicher Marken, die es hier natürlich auch gibt. Wer länger bleiben möchte, der kann in einem der zahlreichen Hostels übernachten.
Zum Radfahren lädt Tiflis nicht unbedingt ein, aber ich hatte beim Radeln durch die Stadt keine großen Probleme. Der Verkehr ist dicht, aber recht rücksichtsvoll, und die Geschwindigkeiten sind niedrig. Mit etwas Umsicht kann man ziemlich gut und stressfrei radeln. Auch die Hauptstraßen sind gut und meist sehr breit. Das lässt genug Platz für Radfahrer.
Mtskheta – Zentrum des Glaubens
Ich lies mich auf der zentralen Hauptstraße mit dem Verkehr nach Norden treiben. Mein Ziel war die alte Hauptstadt Georgiens, Mtskheta. Wie das richtig ausgesprochen wird, habe ich nicht wirklich verstanden, aber ein Besuch lohnt sich in jedem Fall. Zirka 25 km nördlich von Tiflis liegt diese kleine Stadt und geistliches Zentrum der orthodoxen Christen in Georgien, an der Flussgabelung des Kura und des Aragvi.
Auf wenigen Quadratkilometern finden sich sehr alte Kirchen und eine Kathedrale von ungemeiner Pracht, denn Georgien wurde bereits im Jahr 317 christianisiert. Die Stadt wurde in den letzten Jahren sehr aufwändig restauriert und ist heute ein Touristenmagnet. Dennoch war es angenehm leer, was vermutlich an der frühen Jahreszeit und dem Wetter lag.
Hier in Mtskheta soll auch das Kreuzigungs-Tuch Christi liegen, welches der georgische Jude Elias aus Jerusalem mitgebracht hat. Er war dort, um im Prozess gegen Jesus für ihn zu sprechen, kam aber zu spät und erlebte die Kreuzigung. Als seine Schwester Sidonia mit dem Tuch den Beweis von Jesus Tod sah, war sie so traurig, dass sie starb. Mit dem Tuch in ihren Händen wurde sie begraben und auf ihrem Grab wuchs eine große Zeder. Wenig später wurde durch die Heilige Nino an dieser Stelle eine Kapelle errichtet, die heute die Swetizchoweli-Kathedrale ist und als besonders heilig gilt.
Die Heilige Nino war eine Missionarin und Heilerin, die die Georgier bereits im 4. Jahrhundert zum christlichen Glauben bekehrte. So errichtete sie unweit der Stadt Mtskheta auf dem gegenüberliegenden Berg ein Holzkreuz als Zeichen der Christianisierung.
Heute ist die Stelle mit dem Kreuz von einer Kapelle umbaut (Jvari (Dschwari) Kloster) und ist ein beliebtes Pilgerziel. Fährt man mit dem Fahrrad, so muss man ein Stück Autobahn fahren und kämpft sich dann eine recht steile Straße nach oben. Der Besuch und der Blick lohnen sich aber in jedem Fall.
Ich war zur Zeit des christlich-orthodoxen Osterfestes in Mtskheta und konnte so den Feierlichkeiten in der Swetizchoweli-Kathedrale beiwohnen. Diese Kathedrale wurde im 10. Jahrhundert errichtet und im Inneren ist sie reichlich geschmückt.
Interessanterweise befindet sich in der Kathedrale eine begehbare Nachbildung der Jerusalemer Grabeskirche.
Gebaut, damit auch Gläubige, die sich keine Pilgerreise ins Heilige Land leisten konnten, die Grabeskirche sehen und dort beten können. Heute ist die Kathedrale das Zentrum Mtskhetas, errichtet auf dem Grab Sidonias und dem Kreuzigungstuch Jesu.
Mehrere Tage lang singen und beten die Menschen rund um die Uhr in der Kathedrale und feiern so das Osterfest. Ich habe viele Stunden in der Kirche verbracht und die Stimmung mit den Gesängen der Priester und des Männer-Chores in einem Video eingefangen:
Leider viel Müll
Wer durch Georgien reist, wird also viel Sehenswertes zu Gesicht bekommen und eine tolle Natur erleben. Aber leider auch viel Müll und wilden Müllkippen begegnen. Reiseberichte zeigen ja meist nie diese hässlichen Seiten eines Landes, aber hier in Georgien ist mir der Müll schon sehr aufgefallen. Und deshalb möchte ich ihn nicht unerwähnt lassen.
Es fing damit an, dass ich einen Platz zum Zelten suchte und in dem Wäldchen immer mehr Müll fand. Plastikflaschen, Bauschutt, Kleiderreste, Elektrogeräte, Essensreste. Ich war mehr mit dem beiseite Räumen des Mülls beschäftigt, als mit dem anschließenden Zeltaufbau. Und eine Nacht inmitten eines vermüllten Wäldchens ist auch nicht besonders schön. In den darauf folgenden Tagen fing ich an, all die wilden Müllkippen entlang der Straße und selbst in den Naturschutzgebieten zu fotografieren. Und egal wo ich Halt machte: Müll gab es überall.
Natürlich gibt es auch in Georgien Bemühungen, diesem Problem Herr zu werden. Schilder rufen zu mehr Sauberkeit auf, aber viel haben sie bislang noch nicht bewirkt. Besonders schade fand ich es im Kaukasus, wo Müll dann doch das schöne Bild majestätischer Berge und reißender Flüsse in toller Natur zerstörte oder am Schwarzen Meer den Strand derart verschmutzte, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie man hier gerne baden gehen möchte.
Wenn man mit dem Rad durch das Land fährt, bekommt man das natürlich viel öfter mit, als wenn man mit Auto oder Zug reist. Ich habe meinen Müll immer solange mit mir rumgefahren, bis ich irgendwo eine Mülltonne fand. Allerdings weiß ich nicht, wo dann der Müll aus dieser Tonne landete.
Schade eigentlich, denn Georgien ist ein tolles Land, mit einzigartiger Natur und sehr gastfreundlichen Menschen. Und vor allem ist es touristisch noch nicht weit entwickelt, was es so ungemein attraktiv macht. Aber ich bin mir sicher, dass sie den Müll auch noch in den Griff bekommen.
Und wir Reisenden, Touristen, Radler können dabei mithelfen, indem wir sauber bleiben, unseren Müll mitnehmen oder versuchen, ihn ganz zu vermeiden. Das geht nämlich in Georgien auch, wo man noch fast alles auf Märkten bekommt und ganz ohne Tüte und Verpackung kaufen kann.