Reiseradler-Interview #10: Melanie und Sebastian von chinacrossing.de

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Zwischen Minusgraden und extremer Hitze: seit drei Monaten fahren Melanie und Sebastian mit dem Fahrrad quer durch China. Ihr Projekt ist anspruchsvoll: zu zweit 8.000 Kilometer mit dem Fahrrad quer durch China. Anfang Februar gestartet, führten die ersten Kilometer über den eisigen Irkeshtam-Pass. Von hier aus ging es weiter entlang der Seidenstraße durch die Wüsten Taklamakan, Kuruktag und Gobi bis auf das atemberaubende tibetische Hochplateau. Bisher haben sie auf dieser Reise über 2.300 Km zurückgelegt und haben mittlerweile ihren ersten großen Meilenstein in Chengdu erreicht. Von hier aus soll es über Reisterrassen und durch Bambuswälder weiter, bis an die tropischen Strände der Insel Hainan, im südchinesischen Meer, gehen. Und nun, quasi Live aus Süd-Sichuan, das Interview mit den beiden China-crossern…

Melanie und Sebastian © www.chinacrossing.de
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Zum Warmwerden: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen?

Vorab: Das ist unsere erste Radreise. Schon seit langem wollten wir eine weite Strecke aus eigener Kraft zurücklegen. Zuerst hatten wir daran gedacht zu laufen, doch das schien uns zu langsam und mit Blick auf das Gepäck zu beschwerlich. Eine Begegnung mit einem malaysischen Reiseradler in China brachte uns schließlich aufs Zweirad. Nach fast 2 Jahren schuften und planen war es diesen Januar dann soweit.

Zum Träumen: Wo wart ihr schon überall und wo müsst ihr unbedingt noch hin?

Bislang waren wir erst in Kirgistan und China mit dem Rad unterwegs. Träume gibt es dafür umso mehr. Kirgistan hat uns sehr gut gefallen. Wir würden wirklich gerne noch einmal im Sommer kommen und uns das Land noch einmal näher ansehen. Auch der Iran und die Türkei reizen uns in den Reiseberichten anderer Radfahrer ungemein. Und dann ist da auch noch Südostasien, wovon wir seit den langen Fahrten in west-chinesischen Winter immer häufiger träumen.

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Zum Nachmachen: Welches Land könnt ihr empfehlen und warum?

Naja, unsere Erfahrung ist (noch) etwas beschränkt, aber China ist schon unglaublich divers: Von riesigen Wüsten über die höchsten Berge der Welt bis hin zu tropischen Regenwäldern und Sandstränden ist alles dabei. Und ebenso vielseitig wie das Land sind auch seine Bewohner. Es ist einfach fantastisch den steten Übergang von einem Extrem zum nächsten in nur einem Land zu „erfahren“. Eine Moschee im chinesischen Stil neben einem tibetisch-lamaistischen Kloster, im Hintergrund im Sonnenlicht glänzende Hochhäuser und über allem die chinesische Flagge und Hammer und Sichel. China wird einfach niemals langweilig.

Zum Erfahren: Was hat Euch unterwegs am meisten beeindruckt?

Der Natur so direkt ausgesetzt zu sein! Eis und Schnee, Sandstürme, sintflutartige Regenfälle und sengender Sonnenschein. Den Naturgewalten kann man sich auf dem Fahrrad in freier Natur kaum entziehen. Beim Übergang von der Gobi in die Gebirge Qinghais wurden wir fast jeden Nachmittag von Schneestürmen getroffen. Jede Nacht frieren und bangen, doch wenn die Sonne am nächsten Morgen aufgeht und man den ersten Blick aus dem Zelt auf die unberührte, verschneite Landschaft wirft, ist es einfach ein atemberaubendes Gefühl.

Zum Leben: Seid ihr lieber zu zweit unterwegs, oder käme auch mal eine Solo-Reise in Frage? Und warum?

Wir sind ganz klar ein Zweiergespann! In den vergangenen Jahren waren wir beide auch immer mal wieder alleine unterwegs, aber dann fehlte doch immer der Partner zum vollkommenen Genuss. All die schönen Erlebnisse wollen geteilt werden. Es ist schön abends im Zelt zu liegen und den Tag noch einmal gemeinsam Revue passieren zu lassen.

Zum Fahrrad: Stellt es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Euren Rädern dran?

Letztlich geht es ums Radreisen und nicht ums Reiserad! Eigentlich wollten wir daher auf unseren alten Trekkingrädern durch China touren, haben uns dann aber doch dagegen entschieden, weil sie beide einen recht dünnen Leichtbau-Alurahmen hatten. Auf der Eurobike 2013 haben wir uns dann spontan in die wunderschönen, gemufften Stahlrahmen der Patria Räder verliebt.

Die Patria Terras © www.chinacrossing.de
Die Patria Terras © www.chinacrossing.de

Geworden ist es dann ein „Bilderbuch-Reiserad“: Patria Terra mit Rohloff Schaltung, Magura HS33, SON 28 Dynamo und Tubus Gepäckträgern. Rahmen und Schaltung haben sich bewährt. Die Magura HS33 würden wir hingegen nicht mehr nehme. Etwas von der Norm abweichend fahren wir einen Gates Carbon Drive statt einer Kette. Die Idee hinter dem Riemen gefällt uns und wir wollten das System unbedingt selbst testen. Das Fahrrad ist in dieser Konstellation nun seit 3.000 Km tatsächlich gänzlich wartungsfrei! Der Riemen muss sich jedoch noch auf den nächsten 7.000 Km beweisen (dann sind es 10.000 Km), bevor wir ein abschließendes Urteil abgeben wollen.

Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?

Tatsächlich waren die ersten 3.000 Km bisher quasi Pannen-frei. Eine kleine Panne ist dabei dennoch sehr in Erinnerung geblieben: Wir waren auf den Weg über das Qilian Gebirge an der Grenze der tibetischen Region Amdo. Über holperige Schotterpisten, die von der Schneeschmelze aufgeweicht waren sollte es über einen 4.300m hohen Pass gehen. Am späten Nachmittag brach das Wetter plötzlich dramatisch ein und die Temperaturen vielen rasant. Der Matsch fing schlagartig überall auf dem Fahrrad an zu gefrieren. Der Riemen, der bislang gut mit Matsch und Schnee auskam, sprang dabei von der Kurbel, die Bremsen blockierten. Im starken Schneetreiben mit zitternden Händen war es nur mit Mühe und Not möglich den Riemen und die Zahnkränze soweit vom Eis zu befreien, um den Riemen wieder aufzuziehen. Zu allem Überfluss brach dann in der Eiseskälte auch noch der gusseiserne Schnellspanner der Magura-Bremse. Ein wirklich unangenehmes Erlebnis auf dieser absolut menschenleeren Straße mitten im winterlichen Hochgebirge.

Zum Wissen: Euer ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?

Nur Mut, Radreisen ist viel einfacher als man denkt. Wenn das Rad einmal rollt, rollt es! Wir können uns nicht vorstellen, dass wir unsere Radreise einmal bereuen werden. Wir sind uns aber sicher, dass wir es für immer bereuen würden, wenn wir uns nicht getraut hätten.

Sucht euch für den Anfang einen einfachen Einstieg. Wir haben uns mit der Wüste im Winter eine große Herausforderung gleich an den Anfang gestellt. Die ersten Wochen waren so hart, dass wir manchmal daran gezweifelt haben, ob wir unserem Vorhaben wirklich gewachsen sind. Letztlich konnten uns aber weder Stürme, noch Schnee aufhalten und inzwischen blicken wir auf großartige drei Monate zurück.

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Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?

Ganz klar das Wiederkommen. Die Planungsphase war voller Vorfreude. Wir konnten es kaum noch erwarten loszukommen. Am Anfang war es, wie bereits erwähnt, schwer unseren Rhythmus zu finden. Nun aber nach nur drei Monaten auf Achse, machen wir uns schon erste Gedanken darüber, was wir machen, wenn wir wieder zurückkommen. Es ist Freiheit pur mit Rad und Zelt unterwegs zu sein und die Vorstellung wieder in vier Wände an einem Ort gebunden zu sein ist im Augenblick sehr unbehaglich.

Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?

Als wir im Januar nach Kirgistan aufgebrochen sind haben wir unsere Projekt Chinacrossing.de mit sechs Monaten angesetzt. In weiser Voraussicht haben wir die Reiseversicherung jedoch für ein Jahr abgeschlossen. Da wir Ende August unser Ziel Hainan erreichen werden, liegt es nahe von dort weiter nach Vietnam zu reisen und den grauen, deutschen Winter im Sattel in Südostasien zu verbringen. Zum Glück sind wir für diesen Teil der Reise jedoch noch vollkommen offen und unverplant.

Hier gibt es mehr über Melanie und Sebastian:

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