Velosophics – das sind Lena Kleine-Kalmer und Hardy Handel. Sie haben sich 2012 entschieden, ihren langjährigen Traum einer großen Radtour durch Europa, Mittel- und Südamerika zu erfüllen. Der Name Velosophics stand dabei von Anfang an für ihre persönliche Fahrrad- und Reisephilosophie: die Art und Weise, wie sie mit dem Rad reisen und das enorme Potenzial, das sie in Fahrrädern allgemein sehen. Beim Radreisen geht es ihnen um die Naturerfahrung und die Möglichkeit, nah bei den Menschen und ihren Kulturen zu sein. Abenteuer und Erlebnisse sind wichtiger als möglichst viele Kilometer abzureißen. Außer ihren eigenen Reisetraum sehen sie in Fahrrädern noch viel mehr: Ein Fahrrad bedeutet Mobilität, und Mobilität ist in vielen Regionen Afrikas zum Beispiel der Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung. In Zusammenarbeit mit der Organisation World Bicylce Relief sammeln Lena und Hardy deshalb Spenden, um so genannte „Buffalo Bikes“ (besonders lastentaugliche Fahrräder) nach Sambia zu bringen.
Zum Warm-werden: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen?
Das war wohl gleichermaßen Inspiration durch andere wie unsere eigene innere Motivation, anders reisen zu wollen. Die Begeisterung für abenteuerliches Reisen teilen wir, seitdem wir uns kennen, und insbesondere Hardy war zudem immer schon radbegeistert. Da fehlte nicht viel – nach einem Afrika-Radreisevortrag fiel die Entscheidung für uns: Wir wollen auch eine große Tour fahren.
Zum Träumen: Wo wart ihr schon überall und wo müsst ihr unbedingt noch hin?
Mit dem Fahrrad waren wir bisher in insgesamt 20 Ländern Europas und Lateinamerikas unterwegs. Kürzere Touren zum Ausprobieren haben wir in Rumänien und Spanien gemacht, bevor wir dann 2012 die große Tour Deutschland – Rumänien, Mexiko – Argentinien gestartet haben. Mit dem Rad müssen wir unbedingt noch auf all die anderen Kontinente. Es gibt einfach noch zu viele interessante Wege, Kulturen, Landschaften…
Ein Traum sind auf jeden Fall Tibet und China. Diese Länder müssen faszinierend sein und vor allem Tibet eine extreme Herausforderung. Wir haben schon so viel Spannendes und Schönes von diesem Teil der Erde gehört. Außerdem möchten wir mit den Rädern gerne irgendwann Afrika bereisen, vor allem Sambia. Und zwar aus einem bestimmten Grund: Als Velosophics sammeln wir unterwegs, aber auch bei Vorträgen Spenden für die Organisation World Bicycle Relief, um extrem lastentaugliche Fahrräder nach Afrika zu bringen. Wir wollen Menschen mit Fahrrädern mobilisieren, ihr Leben aus eigener Kraft zu verbessern. Bisher haben wir so 37 Räder für ein Projekt in Sambia finanziert.
Zum Nachmachen: Welches Land könnt ihr empfehlen und warum?
Fast jedes Land hat seinen eigenen Reiz, es mit dem Rad zu bereisen. Die Frage wird oft gestellt und wir antworten immer mit der Gegenfrage: Was ist dir wichtig? Dirt Roads und Abgeschiedenheit oder eine Dusche am Ende des Tages? Berge, Strand und Meer, Kultur? Wilde Natur oder eine gute Infrastruktur? In Europa hat uns Rumänien sehr, sehr gut gefallen. Vor allem die Ursprünglichkeit in einigen Bergregionen und die Gastfreundschaft der Menschen.
In Lateinamerika haben wir absolute Highlights in Kolumbien und Bolivien erlebt. Aber auch hier zählt wieder die Perspektive: Die Kolumbianer haben uns mit ihrer wahnsinnigen Offenheit, Großherzigkeit und ihrer Freude, uns zu sehen, fasziniert. Da Kolumbien immer noch als gefährliches Reiseland gilt, freuen sich die Menschen umso mehr über Touristen, die Interesse an ihrem Land haben. Wenn sie dann auch noch mit dem Rad daherkommen, ist die Freude umso größer: Radsport ist ganz groß in Kolumbien. Bolivien war für uns das Abenteuerland Nummer eins. Die Durchquerung der Salzwüste Salar de Uyuni und die Hinterlandrouten durch einzigartige Landschaften haben uns den Atem geraubt, uns aber auch extrem auf die Probe gestellt.
Zum Erfahren: Was hat Euch unterwegs am meisten beeindruckt?
Da bleiben wir direkt in Bolivien. Den größten Eindruck hinterlässt ja oft die extremste Erfahrung. Und das waren unsere 12 Tage durch die abgefahrenen Landschaften auf der Lagunen- und Wüstenroute durch Südwestbolivien nach Chile: extrem anstrengend, windig, hoch, sandig, abgeschieden und dabei absolut beeindruckend. Das Gefühl im weißen Nichts mitten auf dem Salar de Uyuni zu campen, Wüstenlandschaften mit dem Rad zu durchqueren, bezaubernde farbige Lagunen mit Flamingos zu bestaunen und nach einem weiteren Tag im Sand gegen den Wind nachts unterm Sternenzelt in einer heißen Quelle zu baden… Das werden wir wohl nie vergessen.
Zum Leben: Seid ihr lieber zu zweit unterwegs, oder käme auch mal eine Solo-Reise in Frage? Und warum?
Velosophics ist das Zweier-Team Lena und Hardy. Und das klappt so unglaublich gut, dass wir bisher gar nicht daran denken, uns alleine auf den Weg zu machen. Es ist toll, die Erlebnisse zu teilen, die Freude und das Leid. Wir sind lieber zusammen als allein. Aber wir sind ja auch ein Paar und leben unsere Beziehung auch in unseren Radabenteuern. Wir haben das große Glück, dieselbe Leidenschaft zu teilen, wofür wir von anderen oft beneidet werden. Das heißt nicht, dass wir zukünftige Soloreisen ausschließen. Wir haben unterwegs einige Soloradler getroffen und sind sogar mit einigen von ihnen ein paar Wochen zusammen geradelt. Wir wissen, dass so eine Reise alleine natürlich noch mal einen anderen Wert haben kann – in der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt.
Zum Fahrrad: Stellt es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Euren Rädern dran?
Unsere Räder haben wir auf Basis des Rahmen SANTOS Travelmaster Alu 2.6 mit Hilfe von verschiedenen Sponsoren aufgebaut. Nach 16 Monaten on the road hat sich das gesamte Material absolut bewährt. Abgesehen von Speichenbrüchen am Hinterrad hatten wir keine nennenswerten Probleme. Deshalb würden wir den Einsatz von Speichen mit einer Dicke von 2,34 mm wie z.B. SAPIM Strong oder DT Champion für lange Radreisen empfehlen (und trotzdem Ersatzspeichen mitnehmen!).
Hier eine Übersicht unserer Komponenten:
Rahmen | SANTOS Travelmaster 2.6 Alu |
Gabel | SANTOS Stahlgabel (CroMo) |
Bremsen | Magura HS33 (Modelljahr 2003) |
Kurbel | Truvativ X9 |
Kettenblatt | 37T Renthal Cycling |
Kette | SRAM PC 991 |
Innenlager | Chris King X-Type |
Schalthebel | Rohloff Drehschalthebel |
Nabenschaltung | Rohloff Speedhub 36-Loch mit 17T Ritzel |
Nabendynamo | Supernova Infinity S |
USB-Steckdose | ToutTerrain The Plug 2 Plus |
Speichen | VR: DT Comp 2.0-1.8-2.0HR: Sapim Race 2.0-1.8-2.0 |
Felgen | Rigida Andra 30 (VR 32-Loch / HR 36-Loch) |
Reifen | ContinentalCruise Contact 2.0 (Lena)Travel Contact 1.75 (Hardy) |
Vorbau | SANTOS (Winkel verstellbar) |
Lenker | SQ-Lab 316 |
Sattelstütze | Cane Creek Thudbuster LT |
Steuersatz | FSA Pig DH Pro |
Griffe | Ergon GP5 Biokork |
Sattel | Brooks B17 (Lena die Damen Version) |
Pedale | BBB Dualride |
Beleuchtung | Supernova E3 (Lena) und E3 Triple (Hardy)jeweils mit E3 Tail Light |
Gepäckträger | Tubus Tara und Logo Classic |
Gewicht Komplettrad | ca. 16 Kg |
Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?
Zum Glück hatten wir keine größeren Pannen. Kleinere nervige Dinge wie Platten, kaputte Reifen und Speichenbrüche waren eigentlich immer relativ schnell zu beheben. Kleiner Tipp für Rohloff-Fahrer: Sollten einem mal die Ersatzspeichen ausgehen, die bei Rohloff-Hinterrädern ungewöhnlich kurz ausfallen, kann man sich auch mit längeren Speichen aushelfen: Auf die richtige Länge gekürzt und mit einem frisch geschnittenen Gewinde hat man schnell wieder Ersatz.
Unter den extremen Bedingungen von Wind, Sand und Kälte (bis zu -20°C nachts) in Südwestbolivien fingen ein paar Plastikteile an zu brechen, und die Luftpumpe funktionierte nicht mehr, da Sand hereingekommen war. Als wir auf 5.000 m Höhe in Wind und Eis dann einen geflickten Reifen nicht wieder aufpumpen konnten, haben wir schon ganz schön laut geflucht. Zum Glück kam nach nicht allzu langem Warten ein Jeep vorbei, der uns mit einen Kompressor helfen konnte.
Zum Wissen: Euer ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?
Nicht zu viel planen! Keine Angst haben! Sich Zeit nehmen! Für uns liegt das Besondere am Radreisen in der absoluten Freiheit sowie in der Nähe zur Natur und den Menschen. Durch Planung kann man sich selbst schnell ein Stück Freiheit nehmen. Wir haben versucht, uns viel Offenheit zu bewahren, Zeit zu haben, die Route zu ändern und mal ein oder zwei Tage irgendwo zu bleiben, wo wir nette Menschen kennenlernen. Für uns war es weniger wichtig, viele Kilometer zu machen. Wir haben uns immer für die schönsten Strecken entschieden, für mehr Abenteuer und weniger Panamericana…
Und natürlich nicht zu viel mitnehmen! Das weiß jeder, der sich auf eine Radreise begibt. Und doch muss wahrscheinlich auch jeder selbst durch den Prozess, herauszufinden, was wirklich wichtig und was Ballast ist.
Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?
Für uns ist es das Wiederkommen. Zu dem ersten Mal Losfahren gehört Mut und Organisation. Aber die Aussicht, seinen lang ersehnten Traum zu erfüllen, setzt unwahrscheinliche Kräfte frei und irgendwie schafft man dann alles. Die Vorfreude war bei uns so groß, dass es gar nicht schwer fiel, sich zu verabschieden. Das Zurückkommen ist im ersten Moment sehr schön. Alle Freunde und die Familien nach langer Zeit wiederzusehen, hat man sich schließlich schon so lange ausgemalt, aber leider fühlt sich viel zu schnell alles wieder viel zu normal an. Es ist nicht einfach, das wieder so anzunehmen. Wir versuchen das Erlebte, die Veränderung und die Sicht auf die Welt jetzt in unseren neuen Alltag mitzunehmen, zu integrieren und weiterleben zu lassen.
Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?
Tja, jetzt steht erst mal Arbeiten und Geld verdienen auf dem Plan. Wir suchen beide einen neuen Job, stehen vor der Frage, wo wir hinziehen werden und lernen wieder zu träumen, anstatt den Traum zu leben.
Wunderbare Erlebnisse, die man sicher niemals vergißt.
Bei diesen Leistungen hat man bestimmt keine Figurprobleme! LG Lewi 🙄