Teil1: Mit Öddi ins ewige Eis
Vorsichtig setze ich meine Schritte. Das Knarzen der Steigeisen auf dem Eis ist das einzige Geräusch, das die Stille am Gletscher durchbricht. In der Nacht hat sich das Wetter eingetrübt. Dichte Wolken hängen tief über dem Eis und verhüllen unser Ziel: die Eiskaskadenwand am Gletscher Svinafellsjökull im Vatnajökull Nationalpark.
Der Vatnajökull (Wassergletscher) ist der größte Europas. Er bedeckt einen erheblichen Teil Islands (8%) und umfasst eine Fläche von unglaublichen 8.000 Quadratkilometern. Sein Eis bedeckt einige der aktivsten Vulkane Islands, die immer wieder auch ausbrechen.
„Please stop!“ Öddi, mein Bergführer der Glacier Guides, bedeutet uns zu warten. Er geht ein Stück voraus, um die neuen Spalten und Risse im Eis zu prüfen. Das Tauwasser verändert immer wieder seine Bahnen. Gurgelnd verschwindet es in tiefen Löchern. Mal sind diese klein, mal so groß, dass ein Mensch hineinfallen kann. Angeblich kann man in ihnen im Winter rutschen. Eine Tunnelrutsche im Eis sozusagen, allerdings mit jeweils unbekanntem Ausgang.
Das Eis arbeitet, das Wasser verändert es ständig. Die Spalten und Risse, die den Gletscher durchziehen, können jeden Tag größer und instabiler werden. Oder sie verschwinden, um wenige Meter weiter wieder aufzutauchen.
„Come!“ Öddi gibt Zeichen, die Karawane setzt sich wieder in Bewegung. Außer mir sind noch vier weitere Wanderer mit auf Tour. Ausgerüstet mit Helm, Steigeisen und Eis-Pickel steigen wir weiter. Zahlreiche mit blauschimmerndem Wasser gefüllte Eislöcher liegen entlang unserer Route.
Mein Blick wandert ins Tal, wo ich noch die dunklen Reste der Lavasand- und Geröllfelder erkenne, die das Eis und Wasser ins Tal gespült haben. Noch im letzten Jahr war dieser nun dunkle Teil vom Gletscher bedeckt. Öddi zeigt uns, wie stark der Gletscher im Vergleich zum letzten Jahr abgeschmolzen ist: stolze zwei Meter hat er an Stärke verloren. Seitlich des Hauptgletschers ist deutlich zu erkennen, wie er insgesamt zurückgegangen ist. Die Veränderung des Klimas ist hier sehr deutlich sichtbar.
Inmitten steil aufragender Türme aus Eis rasten wir. Trotz der schlechten Sicht lässt sich die Mächtigkeit des Gletschers erahnen. Hier oben gibt es kleine Täler, umgeben von Eistürmen, -felsen und kleinen Höhlen. Beeindruckt durch die vielfältigen Formen und Verwerfungen des Eises, kaue ich an meinem Sandwich. Es fängt an zu regnen. Wir wenden uns dem Abstieg zu.
Weiter unten stoppen wir erneut. Endlich haben die Wolken sich etwas verzogen und geben den Blick auf die Gletscherwand mit ihren Kaskaden aus Eistürmen frei.
Unzählige Blautöne durchziehen die Wand. Je nach Einfallwinkel des Lichtes verändert sich das Blau. Dieser Blick und das Wandern in dieser teilweise unwirklichen Umgebung gehört zu den beeindruckendsten Erlebnissen, die ich in Island hatte.
Das Wandern auf einem Gletscher finde ich schon ein wenig gruselig. Dass man schnell einbrechen und abrutschen kann und selbst am Gletscherrand, wo man festen Boden unter den Füßen zu haben glaubt, gibt es Sinklöcher, wenn das Eis traut und du kannst untergehen wie im Treibsand. Ich habe da wirklich Respekt! Grandios ist es natürlich trotzdem! Sonnige Grüße, Jutta #InLoveWithIceland
Hallo Jutta,
ich war ja mit einem Guide dort oben. Der wusste ziemlich genau, wie der Gletscher sich verhält und wo man aufpassen sollte. Alleine ist das natürlich möglich, aber das wäre mir zu unsicher. Sinklöcher gab es da aber nicht – eher Spalten.
Gruß,
Martin