Gnadenlos brennt die Sonne vom Himmel und verwandelt den Weg vor mir in ein flirrendes Band. Jeder Windhauch ist nur wie ein Gruß aus dem Heizgebläse und mein Mund trocknet, kaum habe ich das Wasser heruntergeschluckt, sofort wieder aus.
Es ist Ende August, die Tage sind sehr warm und ich bin unterwegs in der Niedersächsischen Elbaue. Mein Ziel auf dieser Tour ist Berlin. Das letzte Mal auf die Internationale Funkausstellung, kurz IFA. 12 Jahre lang bin ich immer wieder zur IFA gefahren und habe dort meine jeweiligen Kunden aus der Unterhaltungselektronik unterstützt. Dies ist meine 10. IFA und meine letzte, denn ich habe nach 12 Jahren gekündigt und beginne einen neuen Job.
Und um diesem letzten Mal etwas Besonderes zu verleihen, habe ich beschlossen, anstatt mit dem Zug mit dem Fahrrad anzureisen. Zirka 340 Kilometer sind es bis in die Hauptstadt – ich habe mir 2,5 Tage für diese Strecke Zeit genommen. Denn dieser Trip ist nicht nur eine Radtour, sondern gleichzeitig auch mobiles Arbeiten aus dem Zelt, kurz #tentoffice.
Die Idee: Radtour & Arbeit verbinden
Mein Plan: das Wochenende über fahre ich bis kurz vor Berlin. Dort suche ich mir einen Zeltplatz mit WLAN und arbeite Montag und Dienstag mobil von dort aus. Mittwoch ziehe ich dann in mein Messe-Hotel in die Berliner City, bevor es Freitag zurück ins Zelt und dann per Zug nach Hamburg geht. Ein straffes Programm also – aber mobiles Arbeiten und Leidenschaft zu kombinieren, braucht eine gute Planung.
Ich starte am frühen Freitagabend direkt in meinem Hamburger Büro und fahre noch 40 Kilometer, bis ich an der Elbe hinter Lauenburg das Zelt aufschlage. Hier liege ich direkt neben einem Tennisplatz, wo viele Spieler die kühlen Abendstunden für ein Spiel nutzen. Aufschlag, Vorteil, Matchball und Sieg dauern bis in die späte Nacht.
Die Elbe und der Elberadweg sind auf dieser Strecke wirklich sehr schön. Von Lauenburg folge ich dem Elblauf. Immer wieder stoße ich hier auf Hinweise zu den ehemaligen Grenzanlagen, die sich hier direkt entlang der Elbe zogen. Noch heute kann man einen Wachturm und die Drahtzäune der ehemaligen DDR-Grenzanlagen sehen. Für mich ist das immer wieder ein bewegender Moment, denn die Wende vor nunmehr 27 Jahren hat mein Leben nachhaltig verändert und mir die ganzen Reisen und meine berufliche Entwicklung überhaupt erst ermöglicht.
Immer geradeaus nach Arendsee
Hinter Bleckede setze ich mit der wirklich sehr kleinen Fähre nach Hitzacker über. Nach einer Erfrischung im Ort liegt das Wendtland vor mir. Mein Weg führt jetzt etwas weg von der Elbe durch schattige Nadelholzwälder an Dannenberg vorbei nach Gorleben. Hier verabschiede ich mich erstmal von der Elbe und biege nach Süden ab. Mein Ziel ist der Arendsee in der Altmark.
Dahin führt eine schier endlose und unglaublich gerade Straße durch dichte Wälder. Es ist sehr einsam hier und nur wenige Autos kommen vorbei. Aufgrund der Hitze geht mein Wasservorrat schnell zur Neige, doch in den kleinen Dörfern, die ich durchquere, gibt es keinen Nachschub. Dafür ist das Land hier herrlich. Ich genieße die Abgeschiedenheit und rolle gemütlich nach Sachsen-Anhalt.
Der Arendsee empfängt mich mit einem herrlichen Sonnenuntergang, bei dem es keine Filter mehr braucht. Hier bleibe ich eine Nacht und starte am nächsten Morgen zur vorerst letzten Etappe.
Auf Umwegen an die Havel
Mein Ziel ist Ketzin, eine kleine Stadt an der Havel. Hier möchte ich mein mobiles Büro für zwei Tage aufschlagen. Doch kaum gestartet, bleibe ich im altmärkischen Sand stecken. Denn ich habe ein neues Navi, welches mich immer wieder mit herausfordernden Streckenführungen überrascht. Ich habe mir ein Garmin Oregon 600 zugelegt und diese Tour ist auch der erste Versuch, Freunde zu werden.
Anfänglich geht diese Freundschaftsanfrage nur von mir aus, denn das Oregon denkt gar nicht daran, meine schöne vorgefertigte Route auch nur annähernd abzufahren. Stattdessen werde ich per Luftlinie direkt navigiert, was natürlich total danebengeht. Und in diesem Fall nicht auf die nahegelegene Straße nach Osterburg, sondern querfeldein durch die Wälder auf sandigen Wegen.
Aber irgendwie schaffe ich es doch und schon bald verstehen das Navi und ich uns prima und ich bin wieder an der Elbe, wo ich bei Sandau übersetze. Hier beginnt mit dem Naturpark Westhavelland eine sehr schöne Landschaft, die sich problemlos auf der wenig befahrenen Landstraße erkunden lässt.
Über Wulkau und Kamern erreiche ich Brandenburg und Rathenow, die „Stadt der Optik“. Natürlich wusste ich das nicht vorher, sondern zahlreiche Schilder in dem durchaus sehenswerten Städtchen weisen darauf hin. Seit 1800 ist hier die optische Industrie angesiedelt, denn ein Bürger der Stadt hat eine effektive Art des Glasschleifens entwickelt und somit der industriellen Produktion von Brillengläsern den Weg geebnet.
Next Stop #tentoffice
Hinter Rathenow beginnt das Havelländische Luch, eine Landschaft, die einst von Menschenhand entwässert wurde und heute eine einzigartige Vogelvielfalt bietet. Nun liegen bedrohlich wirkende Wolken über dem Land. Das schöne Wetter ist erstmal vorbei und unwetterartige Gewitter sind vorhergesagt. Ich beschleunige mein Tempo, denn rechts und links zucken bereits die Blitze. Doch noch bleibt es trocken und der aufkommende Wind schiebt mich nach Westen.
Nennhausen, Bukow, Garlitz, Barnewitz und Märkisch Luch sind die kleinen Orte, durch die ich fahre. Immer wieder durchziehen kleine Flüsse das Land. Der Beetzsee ist einer von ihnen, doch das drohende Unwetter lässt mir keine Zeit. So erreiche ich wenig später Ketzin, direkt an der Havel gelegen.
Ich habe es also geschafft und nach 300 km mein erstes Ziel erreicht. Hier auf dem empfehlenswerten Campingplatz in Ketzin an der Havel schlage ich mein mobiles Büro auf. Am Abend tröpfelt es dann doch etwas und der Himmel wird so richtig finster. Aber glücklicherweise ziehen die Unwetter genau an Ketzin vorbei.
Durch den Sand nach Berlin
Die kommenden zwei Tage arbeite ich auf dem Campingplatz. Hier gibt es gutes WLAN und man kann die Sonne genießen. Am Nachmittag des zweiten Tages mache ich mich auf, denn ich möchte näher an Berlin heranfahren. Mein Ziel ist Gatow, ebenfalls an der Havel gelegen und nur unweit von der Messe Berlin gelegen. Ich nutze meine Mittagspause und will fix die 26 km von Ketzin nach Gatow radeln.
Aber ich habe die Rechnung ohne die Döberitzer Heide gemacht. Was auf der Karte wie ein netter Ausflug durch ein Naturschutzgebiet aussieht, entpuppt sich als Schwerstarbeit in einem militärischen Übungsgebiet mit viel Sand, noch mehr Bäumen und kaum befahrbaren Wegen.
Und so werden aus den 26 km 40 und ich fühle mich wie damals auf dem Weg nach Timbuktu. Um die Döberitzer Heide herum führt ein Wanderweg, der auch radelbar ist. Allerdings ist er oft sehr versandet, wodurch viel Schieben angesagt ist.
Zudem gibt es nur wenige Abzweigungen, die einen aus dem Kreis herauslassen. So fahre ich erstmal viele Kilometer durch die Heide, bevor ich einen Abzweig zur B2 finde, die mich dann schnell via Kladow nach Gatow bringt.
Hier baue ich erneut mein Zelt auf und beschließe mein Fahrrad und das Zelt hier zu lassen. Das Platzpersonal ist dabei eine echte Hilfe und schließt mein Rad während meiner Abwesenheit im Gasflaschenlager ein. Nur mit einer Tasche und meinem Laptop fahre ich am kommenden Tag mit dem Bus nach Berlin rein. Im Hotel ziehe ich mich kurz um und dann liegen drei Tage IFA vor mir.
Am Freitagabend ist es dann geschafft. Meine letzte IFA ist für mich vorbei, und nachdem ich den Kollegen Auf Wiedersehen gesagt habe, fahre ich mit Bus und Bahn zurück zum Camping. Am nächsten Morgen radle ich die 10 km noch zum Bahnhof Berlin Spandau, wo mich dann ein Zug nach Hamburg zurückbringt.
Insgesamt 365 km habe ich auf dieser Tour zurückgelegt. Ich wollte schon immer mal mit dem Rad nach Berlin fahren. Das nächste Mal nehme ich aber eine andere Strecke. Vielleicht über die Müritz.
So sah (ungefähr) meine Route aus:
Der Hinterradreifen ist falsch herum montiert. 😉
Wäre er, wenn es nicht das Vorderrad wäre
Das ist schon eine tolle Leistung die Strecke Hamburg bis Berlin mit dem Rad zu fahren. Die Bilder lassen eine schöne Natur anmuten, was man auf der Autobahnstrecke nicht so mit bekommt. Auf jeden Fall hast du meinen Respekt für diese Leistung.
Hmm, schöne Tour.
Das mit dem Sand und den schlechten Wegen kenne ich nach Norden raus aus Berlin auch zur Genüge 🙁
Aber kann es sein, dass der Reifen auf Deinem Hinterrad falschrum montiert ist?
Hallo,
nein, der ist richtig rum. Natürlich! 😉
Gruß,
martin
… weil das Foto das Vorderrad zeigt.
Ich habe aber auch gestutzt.
Gruß
ElGato
Eine schöne Tour (-idee) und tolle Bilder.
Das mit der Hitze kann ich nachvollziehen, komme gerade von einer Tour südlich von Berlin (Lausitz-Spreewald-Fläming) zurück. Fast jeden Tag war es praktisch wolkenlos und Temperatur über 25°, oft sogar über 30 Grad und das Anfang September.
Das Oergon600 habe ich jetzt auch ca. 1 Monat. Interessant ist der Stromverbrauch: habe ich die die Odometer-Seite an, halten die Akkus über 16h, lasse ich jedoch ständig die Karte mitlaufen, sind es gerade mal 8h. Bin da noch ein bischen am Testen.
Und zuletzt wünsche ich noch viel Erfolg bei der neuen Arbeitsstelle und daß es da auch so fahrradfreundlich ist (Abstellen der Räder im Büro, Waschmöglichkeit und generelle Erreichbarkeit mit dem Rad in akzeptabler Zeit).
Hallo Jürgen,
ja, ich fahre auch im Odometer-Mode. Dann passt das schon mit den AAs.
Ich hole mir mal das Akkupack von Garmin – vielleicht holt das mehr raus 😉
Ansonsten versuche ich gerade meine selbsterstellten Tracks in Tracks umzuwandeln, die das Oregon auch routet und nicht nur anzeigt.
Viele Grüße,
martin
Sehr schöne Tour und auch sehr schöne Fotos! Tja, die Sandwege in Brandenburg sind nicht ohne… 😉
Ich habe so eine Tour anders herum (also Berlin – Hamburg) auch noch vor. Westlich von Berlin und vor allem an der Havel radle ich oft, aber über Havelberg bin ich noch nicht hinausgekommen. Hast du bewusst entschieden, wo du rechtselbisch und wo du linkselbisch fährst? Oder einfach das Garmin entscheiden lassen?
Kurz noch zum Thema Fahrradnavi: Früher habe ich auch diverse Garmins benutzt, aber bin schon seit geraumer Zeit bei Komoot (iPhone + Akkupack) gelandet und damit sehr zufrieden – sowohl mit der App als auch mit der Planung auf deren Webseite (und zwar per OpenCylceMap, da man dann alle Radwege angezeigt bekommt). Sehr komfortabel, das Routing ist meist wirklich gut und die App wird ständig sinnvoll weiterentwickelt. Bin damit schon von Berlin an die Ostsee gefahren, ohne die Route manuell anzupassen (bloß Waren/Müritz als Zwischenziel gesetzt).
Eine Tour von Hamburg über den Ostseeradweg bis Rostock und dann über den Berlin-Kopenhagen-Radweg nach Berlin wäre vielleicht auch noch eine gute Idee. Oder auch quer durch Mecklenburg und durch die Seenplatte. Gibt da ja diverse schöne Möglichkeiten.
Grüße
Fabian
Hallo Fabian,
vielen Dank!
Bezüglich der Elbseite: ich bin das je nach Lust und Laune gefahren. Der Elberadweg ist im Kern ja irgendwann einfach nur langweilig. Und damit es nicht zu langweilig wird, bin ich halt da je nach Meinung auch mal auf die andere Seite gefahren 😉
Bezüglich Komoot: ich navigiere nicht mit dem Smartphone, da dies zu viel Strom kostet. Das Oregon läuft auf AA und ist daher recht unabhängig. Das Smartphone nehme ich vor allem auch zum Fotografieren und dann das Ding zudem immer vom Lenker abfummeln – das muss nicht sein 😉 Aber hauptsächlich die Stromfrage lässt bei mir das Smartphone als dauerhaftes Navi ausscheiden.
Gruß,
martin