Georgien: ein Land zwischen Europa und Asien, mit uralter Kultur und bewegter Geschichte, eingerahmt zwischen Schwarzem Meer, Großem und Kleinen Kaukasus. Hier suchte Jason nach dem goldenen Vlies, hier wird seit 8.000 Jahren Wein angebaut und getrunken und hier wurden Stalin und Beria geboren.
1.250 Kilometer radelte ich durch das ehemalige Iberien, 15 Tage von Ende März bis Mitte April. Von Ost nach West und wieder zurück. Durch Schnee, Regen, Sturm und Sonnenschein. Mit Temperaturen von -5 Grad bis +23 Grad. Auf gut ausgebauten Autobahnen und scheinbar längst vergessenen Pisten. Und erlebte ein Land, noch wild, im Anfang, touristisch ungeschliffen, ursprünglich, post-sowjetisch, mit ungemein gastfreundlichen Menschen, einer sehr guten Küche, leckerem Wein, beeindruckenden Landschaften und historischen Sehenswürdigkeiten.
In einzelnen Kapiteln erzähle ich euch von meinen Erlebnissen und Erfahrungen. Heute habe ich 12 Tipps zum Radfahren in Georgien – und auch ohne…
1. Der Wind kommt meist aus Nord und oft auch heftig
Georgien heißt für mich auch viel Wind. Starker Wind, der sehr oft aus nördlicher Richtung kommt. Teilweise war der Wind ähnlich stark wie auf Island und nur mit Mühe konnte ich mich vorankämpfen. Besonders im Tiefland zwischen kleinem und großem Kaukasus und zwischen Tiflis und Kaschuri nimmt der Wind ordentlich Fahrt auf und kann dann aus nord-westlicher bzw. nord-östlicher Richtung aufwehen.
2. Straßenverkehr kennt keine Radfahrer und wenig Regeln
In Georgien sind Radfahrer als Verkehrsteilnehmer nicht wirklich vorgesehen. Das Radfahren ist dadurch oft anstrengend und gefährlich. Viele Straßen werden gerade ausgebaut und neu angelegt, was mitunter dazu führt, dass Nebenstraßen nicht mehr existieren oder plötzlich auf der Autobahn enden.
Oft kann man die Hauptrouten nicht umgehen und muss ein paar Kilometer auf ihnen fahren. Einen Seitenstreifen gibt es zwar, aber dieser ist sehr schmal und zudem meist kaputt. Die Verkehrshierarchie folgt der Größe des Autos. Zuerst kommen LKW, die hier vielfach auf dem Weg zu den Häfen an der Schwarzmeerküste durchs Land donnern. Dann die PKW, wobei in Georgien sowohl Autos mit Lenkrad links als auch rechts gefahren werden. Hinzu kommt die oft zu hohe Geschwindigkeit und waghalsige Überholmanöver. Dadurch muss man als Radfahrer nicht nur den rückwärtigen Verkehr im Auge behalten, sondern auch vorne schauen, wer einem da gerade entgegen kommt und ob sich hinter einem LKW nicht auch ein Auto mit Lenkung links verbirgt, das plötzlich hervorkommt und die Gegenfahrbahn einnimmt.
Fahrräder im Straßenverkehr kommen zwar vor, aber meist nur innerorts. Und bepackte Reiseräder sind noch eher selten. Autofahrer können daher nicht die Geschwindigkeit und den benötigten Platz eines Reiseradlers einschätzen, was man entsprechend im Kopf behalten sollte.
Tipp: Wenn es geregnet hat, dann bekommt man auf Georgiens Straßen immer wieder eine kostenlose Komplettdusche. Und nebenbei wird auch das Rad sauber 😉
3. Ein Rückspiegel macht das Leben leichter
Angesichts der Verkehrssituation hatte ich auch einen Rückspiegel dabei. Dadurch habe ich die ein oder andere gefährliche Situation umgehen können.
Zusätzlich hatte ich eine grüne Leuchtjacke mit, was meine Sichtbarkeit erhöht hat. Nachts würde ich nicht fahren und in der Dämmerung ebenfalls nur in Notfällen, aber das gilt ja für fast jedes Reiseland, das mich interessiert…
4. Nebenstraßen sind Segen und Fluch
Wer vor dem starken Verkehr der Hauptrouten fliehen möchte, der kann das auf den Nebenstraßen probieren. Allerdings sind viele von ihnen keine Alternative, wenn man durch das Land fahren möchte. Zudem sind sie oft sehr kaputt und nehmen jeden Hügel mit, was zu unglaublichen Anstiegen in diesem überwiegend bergigen Land führt. Aber natürlich kann man auch auf den Nebenstraßen – und dort besonders – Georgien entdecken. Besonders gut lassen sie die Nebenstraßen auf der Strecke von Tiflis nach Gori und im Gebiet zwischen kleinem Kaukasus und Kutaisi.
Und wer den Rikoti Tunnel auf der Nebenstraße Richtung bzw. kommend von Kharagauli umfahren möchte, der sollte sich auf eine sehr kaputte Piste mit viel Geröll einstellen. Man fährt Richtung Westen bergab, immer entlang der Eisenbahnlinie. Bergauf dürfte es, besonders bei Regen, eine echte Schinderei sein.
5. Schilder sind Mangelware
In Georgien sind die meisten Schilder „zweisprachig“, also in georgischen und lateinischen Buchstaben. Allerdings sind Ausschilderungen insgesamt Mangelware. An den großen Straßen findet man sich im Allgemeinen ganz gut zurecht. Aber innerhalb einer größeren Stadt ist man oft verloren, denn Hinweisschilder zur Richtung fehlen.
Ich habe dafür die App „OSMand“ genutzt, die mir eine offline GPS Navigation ermöglicht. So habe ich mich via Smartphone durch die großen Städte navigiert und bei Richtungszweifeln das GPS bemüht. Das war ganz angenehm, zumal in den OSMand Karten auch Hinweise zu Hostels, Banken, Sehenswürdigkeiten etc. enthalten sind und man die Entfernungen noch mal mit der Karte abgleichen konnte.
6. Only Kleingeld is real
Wer am Flughafen in Tiflis ankommt, der kann sich gleich dort aus den Automaten Geld ziehen. Allerdings kommen dort nur große Scheine raus, weshalb es sich anbietet, an einem der zahlreichen Bankschalter die großen Noten in kleine zu tauschen. Der Umrechnungskurs Euro zu Lari beträgt zirka 1:2. Allerdings kommt man auf dem Lande mit großen Scheinen, wie etwa einem 20 Lari-Schein (ca. 10 Euro) nicht immer weiter. Ich habe daher vielfach nur 5 bzw 10 Lari-Scheine gehabt und viele Münzen. Natürlich hat man dadurch ein großes Bündel an Geld, aber das muss man ja nicht alles im Portemonnaie haben.
7. WLAN ganz gut verfügbar
Wer online mit Freunden und Familie in Verbindung bleiben möchte, der wird Georgien gut finden. Es gibt an einigen Gulf Tankstellen und an Telefonläden offene WLANs. Ich habe dort meist Pause gemacht und mich mit der Heimat verbunden. Tiflis bietet übrigens ein offenes WLAN unter dem Namen „Tblisi loves you“. Das ist erstaunlich stabil und stark und eine freundliche Geste an alle Bewohner und Gäste.
8. Essen immer und überall
Georgien ist berühmt für sein gutes Essen und vor allem für seinen exzellenten Wein. Und so muss sich der Radreisende keine Gedanken um die Versorgung machen. An fast jeder Ecke und spätestens nach 5 Kilometern gibt es einen kleinen Laden oder Hof, bei dem man Essen kaufen kann. An kleinen privaten Ständen bieten zudem viele Georgier selbstgemachten Wein in alten Cola-Flaschen an. Ich kann das jedem empfehlen, denn der Wein ist sehr gut – egal ob Rot oder Weiß. Ich habe mir oft Gemüse auf dem Markt gekauft, ein Stück weißen Käse (Namen weiß ich nicht genau), ein frisches Fladenbrot und einen halben Liter Wein. Perfekt für einen relaxten Abend im Zelt. Oder im Hostel. Oder im Homestay.
9. Wetterscheide Gedsamani Gebirge
Ein recht kleines Gebirge teilt Georgien in zwei Hälften, getrennt durch einen 1.440 m hohen Pass neben dem Rikoti-Tunnel. Die Unterschiede zwischen beiden Landesteilen waren im Frühjahr besonders spürbar: war im Osten der Frühling erst am Beginnen, mit viel Regen und die Temperaturen bei ca. 10 Grad, so begrüßte mich der Westen mit frühsommerlichem Wetter, Temperaturen um die 23 Grad, viel Sonne und blühenden Landschaften.
Das Gebirge lässt sich entweder über die Hauptstraße und den Rikoti-Tunnel bzw. Pass überqueren, was ich aber wegen des Verkehrs nicht gemacht habe. Oder über eine Nebenstrecke, die der Bahnlinie von Kaschuri nach Kutaisi folgt, aber leider total kaputt ist. Dafür ist man dort einsam unterwegs und der Pass ist auch nur 1.000 m hoch.
10. Radelzeit: Erst ab Ende April macht es richtig Sinn
Ich war Anfang April in Georgien. Die Temperaturen schwankten zwischen -10 Grad in den Bergen und 23 Grad im westlichen Tiefland. Mit viel Regen und starken Winden. So richtig Spaß hat das Wetter nicht gemacht, auch weil es immer wieder schneite und dadurch einfach viele Pässe und Straßen nicht passierbar waren. Das schränkt das Reisen in Georgien dann doch ein. Zudem ist die Natur noch nicht so weit und viele Landschaften sehen einfach nur braun-grau und trist aus. Daher würde ich eine Radtour nach Georgien erst ab Ende April, eigentlich erst ab Mai empfehlen.
11. Wild zelten ist eher schwierig
Ich weiß gar nicht, ob wild zelten in Georgien erlaubt ist. Ich vermute eher nicht. Aber es ist sowieso nicht besonders einfach, denn viele Gebiete sind sehr dicht besiedelt und auch in scheinbar abgelegenen Orten trifft man auf Menschen. Das hat mir die Suche nach einem guten und geeigneten Platz für die Nacht immer recht schwer gemacht.
Und ich muss sagen, dass ich nur selten zuvor so viele schlechte Plätze zum wilden Übernachten mit dem Zelt hatte wie in Georgien. Teilweise habe ich direkt neben der Straße im Gebüsch mein Zelt zwischen Sträuchern und Bäumen aufgebaut.
Wild zelten ist also nicht unmöglich, aber ich fand es überraschend schwierig, gute Plätze zu finden.
12. Abseits der Straße: Stellt die Schutzbleche hoch!
Eine Erfahrung, die ich machen musste, war, dass der Boden sehr oft sehr lehmig war. Das hat mir bei dem feuchten Wetter die Räder regelmäßig auf dem Weg vom Wildcampplatz zur Straße verklebt. Der lehmige Boden setzt sofort am Rad an und blockiert nach wenigen Metern die Räder. Und besonders bei Regen war das eine wahre Freude. Stellt daher also die Schutzbleche hoch, oder macht sie ab. Geholfen hat meist ein Stock, mit dem ich die Bremsen und die Schutzbleche notdürftig freikratzen konnte. Im Anschluss bin ich ordentlich über Steine gefahren, damit sich der Rest löst und die Räder wieder frei liefen.
Da Autowäsche ein großes Thema in Georgien ist, habe ich ab und zu an einer der Hochdruckreiniger-Stationen gestoppt und mein Rad vom Lehm befreit. Passt aber dabei auf die Lager auf – der Reinigerstrahl ist mitunter sehr stark.
hoi
ich bin nadja aus der schweiz und plane im august 2021 für 5 monate auf eine velotour zu gehen. entweder nach beirut oder nach baku.
darf ich dir ein paar fragen stellen?
lieber gruss
nadja
Na klar! Schieß los. Du kannst mir auch über das Kontaktformular eine Mail schreiben.
Viele Grüße
Martin
gerade nicht asphaltierte nebenstrassen sind doch das salz und pfeffer einer radtour. 😉
Ganz schöne Herausforderungen! Chapeau vor dir und allen (Welt)Reise-Radlern! Jutta