Reiseradler-Interview #36: Thomas von Reisen-mit-und-ohne-rad.de

In Südamerika © reisen-mit-und-ohne-rad.de

Pferden gehe ich lieber aus dem Weg!

Thomas ist durch eine Notlüge zum Radreisen gekommen und seitdem immer wieder mit dem Rad in der Welt unterwegs. Seine größte Tour führte ihn 19.000 km durch Südamerika. Eine besondere „Beziehung“ hat er zu Pferden, die für die ein oder andere Überraschung unterwegs sorgten. Aber davon erzählt er besser selbst. Jetzt im Reiseradler Interview…

Thomas auf Tour © reisen-mit-und-ohne-rad.de

Wie bist du zum Radfahren gekommen?

Ja, das war eine lustige Geschichte: Ich bin immer schon ein paar Tage so für mich gefahren, aber nie lange und so richtig weit. 2003 war meine Tochter mal wieder mit meinen Eltern in Bulgarien. Es sollte die letzte Reise mit Oma und Opa sein, da sie aus dem „mit Großeltern-Reisealter“ raus war.

Ihr Wunsch war es schon immer, dass ich sie begleite. Für mich gab es jedoch nichts Schlimmeres, als Pauschalurlaub am Strand. Immer schon war ich mit Rucksack unterwegs – erst allein und dann mit Frau und Kind.

Also habe ich eine Notlüge benutzt und gesagt, ich fahre wieder nach Nicaragua und baue die Schule (hatte im Jahr davor in einem kleinen Ort ohne Strom und fließend Wasser geholfen eine kleine Schule zu bauen) zu Ende. In Wirklichkeit habe ich einen Flug nach Burgas gekauft und mir überlegt, wie ich es hinbekomme, nicht zwei Wochen am Strand liegen zu müssen.

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Da kam mein Rad ins Spiel. Ich hatte die Idee, eine Woche am Strand zu liegen und dann 4 Wochen durch Bulgarien zu fahren. Der Reiseradler war geboren und die Überraschung war gelungen.

Freudentränen beim Kind können so schön sein. In diesem Monat hatte ich sehr viel Zeit zum Nachdenken. Warum immer von Ort zu Ort reisen? Warum nicht einfach anhalten können, um ein Foto zu machen? Warum den schweren Rucksack auf dem Rücken schleppen? Warum nur einen Monat, es könnte ja auch ein Jahr sein?

Der Gedanke ließ mich nicht los und ich hatte ein neues Ziel: Ein Jahr auf Radreise!!!

Also beim Chef angefragt und natürlich war die Antwort: „Nein.“ Doch so schnell gab ich nicht auf. Mit vielen kleinen Tricks und viel Energie habe ich es immer wieder versucht. Als er dann ja sagte, hatte ich ein Problem: ich konnte nicht mehr zurück.

Das Ziel habe ich nach der Schwierigkeit ausgesucht. Ich dachte mir Alaska nach Panama ist vielleicht eine gute Idee. Das daraus ein Drang nach mehr wird, habe ich mir zwar gedacht, aber es nicht so geplant.

 

Wo warst Du schon überall und wo musst Du unbedingt noch hin?

Zuerst mal eine Auflistung:

2003 Bulgarien
2004/5 Nordamerika
2006 Plan Kirgisien aber Flug am Abflugtag storniert, also spontan nach Polen
2007 Bolivien
2008 Kirgisien
2009 Baltikum
2010 Tadschikistan
2012 Südosteuropa (Budapest an der Donau ans Schwarze Meer)
2013/14 Südamerika

Ziele:

Ja, da gibt es noch einiges zu tun! Zurzeit ist es etwas ruhiger geworden, aber ich habe noch viele Ziele vor mir. Da ist zum Beispiel die Mongolei, der Iran, Südostasien, China und der größte Traum wäre noch mal ein Jahr Auszeit nehmen und auf nach Bangkok.

 

Welches Land kannst Du empfehlen und warum?

Oh das ist natürlich sehr schwer… Alaska fand ich sehr spannend. Es war mein erstes Abenteuer, die Weite und die Freiheit, aber immer die Unsicherheit. Das Gefühl, dass es Bären und Wölfe gibt, hatte einen besonderen Reiz.

Kanada mit der Weite und der Freundlichkeit der Menschen. Die Wälder und Seen und alles ohne Stress und Einreisebeschränkungen.

Die USA als ein sehr leicht zu bereisendes Land. Zelten wo man mag und fast immer kostenlos. Die Strecke auf der 101 und der Abstecher nach Las Vegas waren ein Traum. Zurzeit muss ich da jedoch nicht hin.

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Mexiko und besonders die Baja waren natürlich Freiheit pur. Zelten unter riesigen Kakteen und viele einsame Buchten und wenig Verkehr.

Empfehlen kann ich jedoch sehr Zentralasien, Kirgisien und Tadschikistan. Das war einfach der Hammer. Weite Strecken ohne Verkehr und auf verlassenen Pisten. Die gastfreundlichsten Menschen auf all meinen Reisen, die Weite und die Einsamkeit. Der Verkehr auf dem Weg zum Pamir Highway und zurück war zwar wild, aber er gehört dazu.

Auf der Südamerikatour gab es viele Länder, die ich empfehlen kann: da ist Bolivien mit der Laguna-Route, die extrem schön und hart ist. Wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen in Südamerika. Oder Chile und Argentinien mit Patagonien und Feuerland. Dort habe ich mich fast 3 Monate aufgehalten und finde es gibt nichts Schöneres. Es ist schwer hier Top und Flop zu benennen.

 

Was hat Dich am meisten unterwegs beeindruckt?

Wieder einer der schweren Fragen! Ich denke die Laguna-Route, weil sie so extrem ist. Essen für 12 Tage, Wasser nur alle 3 Tage, Pisten (schlimmer als alles zuvor), Höhe, Kälte am Abend und in der Nacht. Dazu aber immer wieder dies ewige Weite, die Freiheit, die Herausforderung Stunden Schieben zu müssen und das Gefühl, es nie zu schaffen.

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Sehr spannend und beeindruckend war auch der Loop vom Pamir Highway an die Grenze zu Afghanistan. Hier gab es fast keinen Verkehr. Die Menschen waren sehr gastfreundlich und das Gefühl, auf der anderen Seite des Flusses liegt ein unerreichbares Land, war schon komisch.

 

Bist Du lieber alleine unterwegs, oder zu zweit? Und warum?

Da muss ich unterscheiden, ob es eine Reise in den Ferien (knapp 5 Wochen) oder ein Ausstieg über längere Zeit ist. Bei meinen „Kurzreisen“ bin ich sehr gern nicht allein. Ich war sehr oft mir Radlern aus dem Radreise Forum unterwegs. Es hat einen großen Vorteil, denn man kann sich das Gepäck teilen und in einer Gruppe ist es schon ein sicheres Gefühl. Vor allem in den muslimischen Ländern (Kirgistan und Tadschikistan) war es sehr vorteilhaft, als kleine „Familie“ zu wirken. Dies gilt auch für Südamerika.

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Auf meinen langen Touren fahre ich lieber allein. Ich habe dann viel Zeit, kann meinen Weg und mein Tempo bestimmen. Es gibt ja immer wieder viele Radler und es ist angenehm, sich zusammen zu tun und so lange man will zusammenfahren. Ich mag es sehr am Abend nicht allein zu sein und am Feuer oder bei einem Bier über die Reise zu reden. Auf meiner Südamerikatour war ich knapp 8.000 km mit Radlern unterwegs und 11.000 allein.

 

Zum Fahrrad: Stell es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Deinem Rad dran?

Genau davon habe ich null Ahnung. Ich habe mir vor der Südamerikareise ein neues Rad zugelegt und fahre nun einen Stahlrahmen. Ich finde das sehr wichtig, einfach wegen der Möglichkeit ihn zu schweißen. Bei der Schaltung bin ich zu Roloff übergegangen. Sie ist einfach genial und gebremst wird hydraulisch von Magura.

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Bei den Reifen stand ich auf den Schwalbe XR. Da er nicht mehr zu haben ist, fahre ich jetzt den Marathon Mondial. Für mich gibt es nichts Besseres. Mehr kann ich nicht sagen.

Bislang war ich mit drei verschiedenen Räder unterwegs.

 

Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?

Pannen gibt es ja immer mal, aber außer Platten (letzte Reise auf 19.000 km acht, davon vier an einem Tag) und ein paar gerissenen Ketten und vier gebrochenen Speichen auf 47.000 km, hatte ich nichts. Erst auf der Südamerikatour hatte ich die erste gebrochene Speiche. Eine nach fünf Kilometern auf einem 100 Kilometer Anstieg rauf in die Anden und eine beim Flug nach Kolumbien.

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Doch ich hatte echt zwei wilde Geschichten mit Pferden:

Auf meiner Reise von Alaska nach Panama hatte ich die Idee, mir Las Vegas anzusehen. Dabei ging es auf einen kleinen Abstecher von der Küste in die Wüste. Es war eine der schönsten Gegenden dieser Reise. Einen Tag vor Las Vegas wollte ich noch einmal zelten, um erst nach dem Wochenende in die Stadt zu fahren. Am Morgen nach dem Start wurde ich von einem älteren Mann auf einem Pferd gefragt, ob wir die Transportmittel und Hüte tauschen wollten für ein cooles Foto. Kein Problem! Ich also mit seinem Cowboyhut auf das Pferd und er mit meinem Radhelm auf das Rad. Genau das gefiel dem Pferd nicht. Es stellte sich mit mir auf dem Rücken und dem Mann an der Leine auf die Hinterbeine. Dabei hob es den etwa 110 kg schweren und 75 Jahre alten Herrn in die Höhe, um dann mit seiner gesamten Masse auf mein Hinterrad zu landen. So musste ich also nach Las Vegas mit einem Pick-Up fahren.

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Mein anderes Pferd-Erlebnis war bei meiner Testfahrt für die Südamerikatour. 2012 war ich in Rumänien. Ich hatte bei einem Restaurant gefragt, ob ich auf der Terrasse zelten könnte. Als ich oben stand und meine Lenkertasche (zum Glück die zuerst) dort abstellte, sah ich, wie fünf Meter unter mir ein altes Pferd an meinem Rad schnuppert. Ich dachte mir nichts Schlimmes. Doch dann wollte das Pferd wieder gehen und blieb mit dem Kopfschmuck an meinen Lenker-Hörnchen hängen. Da es aber gehen wollte, fing es an zu ziehen. Noch stand das Rad, doch als die Leute im Dorf es beruhigen wollten, stellte es sich, wie Pferde es wohl lieben, auf die Hinterbeine und schüttelte sich. Die ersten beiden Radtaschen flogen im hohen Bogen davon. Damit wurde es leichter für den Gaul und er rannte in voller Panik die Dorfstraße entlang und verschwand hinter den Bäumen…

Ich fand die restlichen Taschen und mein Rad verstreut auf einer Wiese. Zum Glück waren nur zwei Speichen und der Lenker verbogen, der Sattel war verdreht und der Gepäckträger abgerissen. Nach zwei Stunden war alles wieder einigermaßen repariert.

Pferden gehe ich nun lieber aus dem Weg.

 

Zum Wissen: Dein ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?

Gibt es einen ultimativen Tipp? Ich denke, man sollte auch bei guter Planung immer flexibel reagieren und spontan entscheiden, so oft es geht. Radreisen bedeuten Freiheit und diese Freiheit steht im engen Zusammenhang mit Spontanität.

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Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?

Bei mir ist es das Losfahren, wenn ich zu viel Zeit für die Planung habe. Ich packe mir dann einfach die Taschen zu voll! Ankommen geht relativ leicht, auch nach meiner Tour über 19 Monate. Keine Ahnung warum, aber es ist so.

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Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?

Geplant ist zurzeit nicht. Im Sommer 2018 soll es aber wieder für 5 Wochen auf eine Radreise gehen. Vielleicht Iran.

 

Hier gibt es mehr über Thomas und seine Touren:

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1 Comments

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  1. says: Bernd

    Auch wenn es sich nach extrem viel Abenteuer anhört, würde ich dieses Wagnis gerne eingehen. Mal sehen wann ich das wirklich umsetzen kann. auf jeden fall danke für den tollen Artikel!