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Fast eine Wintertour: Mit dem Fahrrad 330 km zur Weihnachtsfeier

Die Ostsee im Advent

Heftig prasselt der Regen auf das Zelt. Immer wieder wird es durch den Sturm angehoben, um kurz danach dann wieder jäh auf den Boden zu sacken. Die Temperaturen sind zurückgegangen und eisige Luft durchströmt mit jedem Windstoß das Zelt. Und ich liege inmitten dieses Chaos und finde es einfach herrlich. Es ist 2 Uhr nachts. Ein Blick auf das Regenradar zeigt mir, dass es so noch bis in den Morgen weitergehen wird. Erst dann soll der Regen aufhören. Ich schlafe weiter und lasse Sturm und Regen wüten.

Vor und nach dem Sturm kommt auch mal die Sonne zum Vorscheinen

Der Morgen zeigt das ganze Ausmaß des Sturmes: überall liegen Äste verstreut und große Pfützen breiten sich aus. Ich baue mein nasses Zelt ab und nutze den anhaltenden Sturm als Rückenwind. Ich bin in Boltenhagen, an der Ostsee. Heute lädt sie natürlich nicht zum Baden ein. Schwere Wellen rollen an das Ufer, dunkle Wolken stehen über dem Wasser und der Wind bläst einen fast um.

Fast menschenleer – der Ostseestrand

Es liegen noch 70 Kilometer vor mir bis Schloss Basthorst bei Crivitz, südöstlich von Schwerin. Hier findet die diesjährige Weihnachtsfeier meiner Agentur statt und ich reise wie fast jedes Jahr mit dem Fahrrad an.

Der direkte Weg würde nur 140 Kilometer weit sein – daher nutze ich das Wochenende für einen kleinen Schlenker und mache so 240 Kilometer aus der Hinfahrt. Direkt aus dem Büro radle ich los bis nach Bad Segeberg, wo ich nach 60 Kilometern mein Zelt das erste Mal aufschlage. Am nächsten Tag geht es über Malente an den Timmendorfer Strand, dann nach Travemünde, dort über die Fähre nach Priwall (2 Euro pro Person inkl. Rad) und weiter entlang der Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern rein.

Es weihnachtet sehr…

Trotz des nasskalten Regenwetters ist die Strecke entlang der Ostsee eine der schönsten, die ich in der letzten Zeit geradelt bin. Biegt man direkt hinter der Fähre nach Osten ab, so führt ein gut befahrbarer Weg entlang des Ostseestrandes. Hier liegt zwischen Priwall und Barendorf eine wunderschöne Küstenlandschaft. Zu dieser Jahreszeit ist natürlich kaum jemand dort und schon gar keine Fahrradfahrer. So rolle ich gemütlich durch den Nadelwald, immer linkerhand die Ostsee im Blick. Zwischendurch geht es immer wieder ganz schön bergauf. Eine echte Kreislaufstrecke, die mich doch ab und zu ins Schwitzen bringt. Hier bieten sich auch in dieser Jahreszeit gute Wildzelt-Gelegenheiten. Aber immer auf der rechten Seite – linkerhand ist alles Naturschutzgebiet.

Am Ostseestrand

Nach ungefähr 30 Kilometern erreiche ich Boltenhagen. Zu DDR-Zeiten war ich als Kind hier einmal zur Kur. Meine Heimatstadt Leipzig war in Sachen saubere Luft nicht so optimal aufgestellt, weshalb ich mit meiner Bronchitis-Anfälligkeit kurzerhand an die Ostsee geschickt wurde.  Vom alten Boltenhagen – soweit ich mich überhaupt erinnern kann – ist fast nichts mehr zu sehen. Die Strandpromenade führt durch schmucke Stadtteile. Moderne Hotels und Häuser säumen den Weg. Im Sommer muss hier die Hölle los sein – jetzt im Advent macht es richtig Spaß, hier mit dem Rad entlang zu fahren.

Ich hab den Strand für mich allein

Es ist 15.30 Uhr, was zu dieser Jahreszeit bedeutet, dass die Dämmerung einsetzt. Eine Radtour im Winter ist daher immer etwas anders: wo man sonst noch bis spät abends Kilometer machen kann, ist nun schon zur Kaffeezeit Schluss. Die verfügbare Radelzeit mit Tageslicht liegt eigentlich nur zwischen 8.30 Uhr und 15.30 Uhr. Am ersten Tag bin ich dennoch bis 18 Uhr geradelt, aber das macht einfach keinen Spaß. Vor allem abseits der Orte wird der Strahl der Lampe sofort vom Dunkel verschluckt. Man sieht nix und nur durch das Navi sieht man, wo man gerade ist.

Im Winter zu Radeln heißt im Dunkeln fahren

Ich muss mal duschen – da passt es, dass ich am Ortsende in Boltenhagen einen Zeltplatz finde, der noch offen hat. Ich bin der einzige Camper und genieße daher den Luxus eines kompletten Duschtraktes nur für mich alleine.

Draußen wird der Sturm stärker und während ich im Zelt liege und Netflix schaue, fängt es an zu regnen.

Stürmisch, aber nicht kalt: die Ostsee in der adventlichen Abenddämmerung

Neben der Weihnachtsfeier gab es noch drei weitere Gründe für diese Tour:

  1. Ich wollte einfach mal wieder zelten, denn da kann ich immer prima schlafen. Und das hatte ich mal wieder nötig. Vor allem mag ich es sehr, wenn es dabei kälter ist.
  1. Eine Woche vorher habe ich mir neue Ortlieb Fahrradtaschen geschenkt. Und natürlich wollte ich diese gebührend einweihen. Mittlerweile sehen sie nicht mehr neu aus. Ganz im Gegenteil: der Schlamm und Dreck hat sie ordentlich altern lassen und jetzt sind sie bereit für eine große Tour. Die kommt dann 2017 – dazu aber später einmal mehr.
  1. Zu guter Letzt ging es mir auch um meinen Schlafsack. Seit 1998 habe ich einen Yeti Mönch Daunenschlafsack, der eigentlich für sehr eisige Temperaturen ausgelegt ist. Über die Jahre verlieren Schlafsäcke natürlich an Isolationskraft und ich wollte mal schauen, wie gut er noch ist. Das Fazit: er darf in Rente gehen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt war er nicht mehr so warm wie sonst. Normalerweise schlafe ich nackt in einem Innenschlafsack aus Baumwolle und das auch bei Minustemperaturen. Das ist nun nicht mehr möglich gewesen und selbst mit langer Funktionsunterwäsche war es nicht ganz warm. Also werde ich mir mal demnächst einen neuen anschaffen. Momentan liebäugle ich mit einem Sack vom polnischen Hersteller Cumulus.
Die weite Welt in nur 1 km Entfernung…

In der Sturmnacht von Boltenhagen bin ich aber vorbereitet und liege warm eingepackt im Schlafsack. Nachdem ich am nächsten Morgen der Ostsee noch einen Besuch abgestattet habe, fliege ich mit dem Sturm weiter nach Südosten, über Grevesmühlen, über den Schweriner See nach Basthorst zur Weihnachtsfeier. Hier erwartet mich ein Whisky-Tasting, welches den restlichen Abend erheblich prägt.

Schloss Basthorst bei Crivitz

Der Frost begrüßt mich am nächsten Tag. Auf dem Land liegt eine dünne Eisschicht. Endlich mal sowas wie Winter! Dick eingepackt mache ich mich auf den Weg, die letzten 90 Kilometer dieser Tour stehen an. Einsame Dörfer, dichte Wälder und endlose Felder liegen auf meiner Route. Ab und zu wird aus dem Radweg eine Schlammpiste und in den Wäldern macht der sandige Boden das Fahren zum Balanceakt. Aber die Sonne scheint und der Wind hat merklich abgenommen.

Endlich mal sowas wie Winter: Frost liegt über dem Land

Über Schwerin und Zarrentin gelange ich nach Büchen. Hier endet meine kleine adventliche Tour und ich steige für die letzten Kilometer bis Hamburg in den Zug.

Wintersonne und Wald
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