Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich 15 Jahre alt war, die Mauer gerade gefallen war und mir die Welt offen stand. Damals war mir klar, dass ich diese mit dem Fahrrad erkunden wollte. Doch es fehlt am nötigen Geld, mal abgesehen von der Ausrüstung, die es damals schlicht einfach noch nicht gab. Natürlich hatte ich schon von Ortlieb gehört und wenig später gab es dann auch schon die ersten Funktionsklamotten. Aber diese waren unerschwinglich für mich, der sich mit einem Nebenjob und etwas Taschengeld versuchte, eine erste Ausrüstung zusammenzustellen.
Heute ist es für viele nicht anders, wenn auch wesentlich einfacher, denn die Vielfalt an Angeboten und Möglichkeiten ist viel größer als damals. Aber Fahrrad und Radreisen sind ein sehr teures Hobby und verschlingen nicht nur viel Zeit sondern auch viel Geld. Und mit dem starken Trend Bikepacking, den steigenden Zahlen an Fahrrad-Enthusiast*innen und dem Erfolgszug des “Gravelbikes” und des begleitenden Zubehör-Wahnsinns, haben sich die Preise noch mal nach oben entwickelt.
Aber was ist, wenn man einfach nur Radfahren möchte, Bikepacking ausprobieren mag und sich dabei nicht gleich verschulden will? Ist das heute noch möglich und wenn ja, wie?
Kurzgesagt: Wenn ich heute nochmal 15 Jahre alt wäre, wie würde ich an die Sache herangehen?
Damit war Projekt 400 geboren. Kann ich für 400 Euro eine gute Ausrüstung fürs Bikepacking bekommen, bestehend aus Bikepacking-Taschen, Zelt, Schlafsack, Isomatte und Jacke? Und passen da vielleicht auch noch Kocher, Geschirr, Besteck und eine Regenhose mit rein?
Klar, 400 Euro sind nicht viel, aber ein Budget, das durchaus erschwinglich ist. Und dafür sollte es doch möglich sein, schon einiges zu bekommen.
Natürlich stehen jetzt erstmal Punkte wie Gewicht und Volumen hintenan. Es geht um eine Ausrüstung für Touren hierzulande von Frühsommer bis Herbst, keine Minusgrade sind zu erwarten und wenn es regnet wird nicht gefahren, oder nur wenig. Und sind wir mal ehrlich: Ich gehe davon aus, dass 85% aller Bikepacking-Freunde (wenn nicht sogar mehr) das nicht anders machen und ebenfalls nur in diesem Rahmen unterwegs sind, wenn auch ausgerüstet wie für eine Weltumradelung oder die Tour Divide.
Und ich habe einiges gefunden, das ich euch nun vorstellen möchte. Die niedrigste Summe für Zelt, Isomatte, Schlafsack, Bikepacking-Taschen und Regenjacke liegt bei 357 Euro, die höchste Summe für den Einstieg bei 771 Euro.
Bitte vergesst nicht: Das hier ist die subjektive Auswahl des 15jährigen Martin mit nicht viel Geld, aber Bock aufs Radfahren. 🙂
So, nun aber ins Detail…
Isomatte
Hier habe ich nach selbstaufblasbaren Matten gesucht. Natürlich gibt es einfach Schaumstoffmatten, die wesentlich günstiger sind, aber etwas Komfort darf es schon sein.
Die teuersten Matten kommen von Sea to Summit mit der Ultralight S.I. und Exped mit der Sim 2.5. Der R-Wert aller Matten hier ist nicht sehr hoch, aber für unsere Temperatur-Voraussetzungen ausreichend.
Ich persönlich würde vermutlich die Matte von Forclaz nehmen, die in Packmass und Gewicht ganz gut ist.
Schlafsack
Bei den Schlafsäcken habe ich eine recht umfangreiche Auswahl aus Daunen- und Kunststoffschlafsäcken finden können. Vom Gewicht her sind alle unter einem Kilogramm, was mir aus Gewichtsgründen wichtig war. Es gibt natürlich noch preislich günstigere, dafür aber auch wesentlich schwerere Angebote.
Naturehike hat zwei ganz interessante Daunen-Schlafsäcke im Angebot, die einen vernünftigen Temperaturbereich abdecken. Vaude, Deuter und Forclaz setzen auf Kunstfaser, wobei ich den Forclaz MT500 ehrlicherweise als Einstiegsmodell für den Sommer auch preislich vorziehen würde. Er ist aber auch der schwerste in der Auswahl.
Wenn die Anschaffung etwas nachhaltiger im Sinne von mehr Einsatzbreite haben soll, dann wäre der Forclaz MT900 aus Daune mein Favorit, da er mit 0 bis -5 Grad sich auch für Touren das ganze Jahr anbietet. Dafür ist er preislich aber auch mit der höchste in der Auswahl.
Zelt
Bei den Zelten hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Mittlerweile sind diese sehr gut verarbeitet und vom Gewicht her sehr leicht, ohne dabei ein Vermögen zu kosten. Ich habe mir hier nur 1-Personen Zelte angeschaut und auch nur doppelwandige und vorzugsweise freistehend. Mein Favorit ist hier ganz klar das Naturehike Cloud 1P. Das gibt es auch als 2- und 3-Personen Variante, die ihr euch auch mal anschauen könnt. Das Naturhike hat das geringste Gewicht und den niedrigsten Preis in der Auswahl und eine recht gute Reputation. Zumindest wird es oft in einschlägigen Bikepacking-Gruppen und -Foren empfohlen.
Das Ferrino und das Gossamer sind wirklich schmale Hütten, aber für eine Solo-Tour durchaus angemessen. Achtet aber auch auf das Packmaß, das sich vor allem an der Gestänge Länge orientiert. Wenn ihr euer Zelt vorne am Lenker unterbringen wollt, ist eine geringes Packmaß praktischer. Da ist das Ferrino mit 33×12 durchaus empfehlenswert.
Gute Erfahrungen wurden auch mit dem Forclaz Trek MT900 gemacht. Das Zelt ist preislich interessant und hat ebenfalls ein recht gutes Packmaß.
Und wer jetzt schon den Finger hebt und was zu Wassersäule und Dichtheit sagen möchte, dem empfehle ich diesen Beitrag dazu bei Bergzeit, wo das gut eingeordnet ist und ihr somit eine gute Referenz für die hier aufgeführten Modelle habt.
Vor einiger Zeit habe ich schon mal eine Übersicht von 18 Zelten für Radreise und Bikepacking zusammengestellt. Die sind preislich aber in einem anderen Bereich, aber vielleicht dennoch interessant.
Bikepacking Taschen
Hier habe ich konkret zwei Empfehlungen: Entweder die Bikepacking Taschen von Decathlon Riverside, die ich hier bereits im Test hatte. Insgesamt schlagen diese mit 210 Euro zu Buche.
Oder die Taschen von M-Wave. Die sind teilweise wasserdicht, wiegen nicht besonders mehr und sind preislich sehr interessant. Das Set aus Lenkertasche, Satteltasche, Rahmentasche und Oberrohrtasche kostet nur 112 Euro. Ein prima Einstiegsangebot, an dem man durchaus auch lange Freude haben kann.
Natürlich gibt es auch noch Taschen anderer Einstiegs-Anbieter, wie Vaude, Topeak, Pro-Discover, Jack Wolfskin oder 8bar. Da kann man auch gerne mal schauen. Oder man hat die Möglichkeit, Taschen zu borgen und so erstmal zu testen, ob man mit dem limitierten Platz zurecht kommt. Und auch ein Rucksack als Ergänzung ist nicht verwerflich. Schließlich sammelt man ja auch erstmal Erfahrungen und auch ich habe meine erste Radreise durch Europa noch mit Rucksack gemacht.
Jacke
Natürlich braucht es bei einer Fahrradtour auch eine gute Jacke. Als Regenschutz, Windblocker oder abends im Camp als zusätzlicher Wärmebringer.
In meiner Liste habe ich vor allem auf Regenjacken geschaut, die aber gleichzeitig gut Wind blocken. Ich persönlich fahre im Training und auf kleineren Touren auch eine sehr einfache und nur 20 Euro teure Regenjacke von Decathlon. Die reicht völlig, aber man braucht noch eine wärmende Schicht drunter und auch die Atmungsaktivität ist nicht optimal. Diese ist natürlich bei dem Preisniveau der hier aufgeführten Jacken unterschiedlich.
Ich finde die Vaude Jacken recht gut, auch weil diese speziell für Radfahrer*innen entwickelt sind. Das Escape Bike Light Jacket wäre ein Favorit für mich. Aber auch die Rockrider Jacke, die neben dem attraktiven Preis auch recht robust wirkt und mit 10.000er Wassersäule mehr als ausreichend wasserabweisend ist.
Erstes Fazit
Meine Auswahl wäre:
- Isomatte Forclaz MT500 Air für 45 Euro
- Schlafsack Forclaz MT500 Polyester für 50 Euro
- Zelt Naturehike Cloud 1P für 120 Euro
- Jacke Vaude Escape Bike Light Jacket für 90 Euro
- Decathlon Riverside Bikepacking Taschen Set für 210 Euro, obwohl die M-Wave mir auch sehr zusagen würden.
Insgesamt also ein Budget von 515 Euro oder 417 Euro mit M-Wave Taschen.
Das ist ja schon ganz erfreulich, aber da geht doch noch was, oder? Vielleicht geben die Großeltern oder Eltern noch was dazu, oder beim Nebenjob springt noch etwas mehr raus.
Dann kann man ja auch mal nach Kocher und Geschirr schauen, denn so eine Bikepacking-Tour macht ja nur Spaß, wenn auch der Magen voll ist.
Kocher
Ich habe ganz bewusst nach All-in-One Lösungen und Gaskochern gesucht und das Odoland Koch-Set gefunden, das Kocher, Töpfe und Besteck enthält. Und insgesamt nur 450g wiegt. Die Gaskartusche ist jetzt nicht dabei. 33 Euro fallen dafür an.
Stellt man sich das Set einzeln zusammen, dann würde ich den Forclaz Kocher MT100 mir anschauen und dazu das Quechua Geschirrset für eine Person MH100. Zusammen ist es etwas schwerer als die Odoland Lösung.
Um die 30 Euro mehr sind also fällig, möchte man noch einen Kocher mitnehmen. Und wenn dann noch 20 Euro drauf können, würde ich mir noch die BTwin City 100 Regenhose mit integrierten Gamaschen zulegen.
Zweites Fazit
Ich war überrascht, dass ich so viel gute Möglichkeiten für mein Budgetziel gefunden habe. Aus meiner Sicht bekommt man dafür aber nicht Schrott, sondern durchaus Sachen, mit denen man mehr als nur den Einstieg ins Bikepacking machen kann.
In jedem Fall empfehle ich bei Einsteiger*innen: Schaut erstmal was ihr habt. Viele besitzen ja schon eine Regenjacke, haben vielleicht schon einen Schlafsack oder eine Isomatte rumliegen. Das reicht oft schon und ihr könnt dann nach und nach euch verbessern und optimieren. Das gleiche gilt für das Fahrrad: Meist ist das Rad, was ihr habt, schon genau richtig und auch hier könnt ihr dann schauen, ob es wirklich das Gravelbike sein muss, oder das gute Trekkingbike oder Rennrad einen auch schon gut durch die Gegend bringt.
Zudem lohnt sich immer der Blick auf Rabattaktionen und Ausverkauf in Fachgeschäften. Seiten wie Outdoordeals bieten zudem immer eine gute Übersicht an reduzierten Markenartikeln. Und mit Decathlon gibt es hierzulande ebenfalls einen guten Anbieter preisgünstiger Ausrüstung. Auch etablierte Outdoor-Händler haben oft preisgünstige und gute Eigenmarken. Und selbst bei Discountern kann man immer mal schauen.
Verbessern kann man sich immer noch, wenn das überhaupt nötig ist. Denn schaut man genau hin, sind es doch die wenigsten, die eine High-End Ausrüstung wirklich brauchen und bei denen es auf das Gewicht ankommt.
Und am Ende gilt nach wie vor: Hauptsache raus und aufs Rad. Und dem Abenteuer ist es egal, wie teuer deine Ausrüstung ist (auch wenn es im Wort enthalten ist 🙂 ).
Hast du noch weitere Tipps oder auch gute Erfahrungen mit günstiger Ausrüstung? Dann gerne her damit in die Kommentare!