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Trainieren oder nicht? – Vorbereitung auf eine Radtour

Wer von einer Radreise spricht, der wird angesichts von teilweise mehreren hundert oder gar tausend Kilometer langen Strecken gefragt, wie man sich für diese Anstrengungen richtig vorbereitet und wie das Training dafür aussieht. Eine nachvollziehbare Frage, denn die körperlichen Herausforderungen können in der Tat schon sehr hoch sein.

Auf dem Weg nach Mauretanien in die Sahara

Ehrlicherweise habe ich nie vor einer Tour trainiert oder besondere Übungen gemacht. Eine normale körperliche Fitness reicht aus meiner Sicht meist völlig aus. Natürlich sollte man vorher schon mal auf einem Rad gesessen haben und sich auf einer kleinen Runde mit dem Fahrrad und der Sitzposition vertraut gemacht haben. Besonders bei langen Touren und einem neuen Rad halte ich das durchaus für sinnvoll. Aber ein spezielles Ausdauer- und Krafttraining halte ich für unnötig, auch wenn es sicherlich nicht schlecht ist.

Ich gehe jetzt mal von einer normalen Radreise aus und nicht einer Weltumrundung auf Zeit oder Radtour-Rennen, wie den Transcontinental Race. Hierfür sollte man dann aus meiner Sicht schon trainieren und sich umfangreicher vorbereiten.

Durchhalten: bei Gegenwind durch die kasachische Steppe

Aber machen wir uns nix vor: egal ob trainiert oder nicht – meist sind es die ersten Tage bzw. die erste Woche, in der sich der Körper an die Tourbedingungen gewöhnt. Der Hintern fängt an zu drücken, der Rücken meldet sich, die Knie sagen Bescheid, der Nacken macht nicht mehr alles mit und abends im Zelt fühlt man sich, als ob sich alle Muskeln einzeln zurechtrücken. Das alles potenziert noch mit dem jeweiligen Alter ;-). Aber nach dieser „Woche der Leiden“ normalisiert sich das meistens und die Tour kann richtig beginnen.

Das klingt jetzt alles sehr schmerzhaft, aber keine Sorge, das muss auch nicht so sein. Bei mir sind es meist zwei Tage und dann ist alles gut. Der Muskelkater kommt trotzdem, aber nicht immer muss ein Tourbeginn schmerzhaft sein.

Um der Belastung vorzubeugen und meinen Körper entsprechend zu schonen, fahre ich zum Beispiel immer mit Radlerhosen mit Einsatz.  Das schont auf den ersten Kilometern den Hintern sehr und ist auch so ein ganz angenehmer Stoßdämpfer.

Durch den Leistungssport in meiner Jugend habe ich meine Knie etwas überbeansprucht. Daher fängt eines bei zu heftiger und andauernder Belastung an weh zu tun. Ich stütze das Knie mit einer Manschette, wodurch die Belastung reduziert wird.

Das war es aber auch mit dem körperlichen Tuning.

Sport frei! In Russland auf dem Weg nach China

Viel wichtiger hingegen finde ich die mentale Vorbereitung. Diese ist aus meiner Sicht wichtiger, denn eine erfolgreiche Tour mit körperlichen Strapazen, in anderen Ländern und Kulturkreisen, kann durchaus eine Frage der mentalen Stärke sein. Ich habe da kein Standard-Vorbereitungs-Programm, aber ich beschäftige mich viel mit den möglichen Umständen unterwegs und meinen Erwartungen an die Tour.

Dazu gehört auch das Relativieren und sich dann auch dem Unbekannten stellen. Also hinzunehmen, dass man einfach vieles nicht vorher wissen kann und sich damit abfinden, dass man dann spontan und adaptiv entscheiden muss. Aber letztendlich ist dies genau meine wichtigste Triebfeder auf Tour zu gehen: Unbekanntes zu erleben und für mich zu entdecken.

Über den Niger in Mali

Daher glaube ich, dass nicht jeder für eine Radtour gemacht ist. Nicht weil er körperlich nicht dazu in der Lage wäre, sondern weil nicht jedem eine Tour mental liegt.

Und das gilt aus meiner Sicht für nahezu jede Tour, denn eine Herausforderung ist immer individuell. Ich hatte mal Kontakt zu einem Radler, der richtig Respekt vor seiner ersten dreitägigen Radtour alleine entlang der Donau hatte. Das ist auf den ersten Blick vielleicht nicht nachvollziehbar, aber ich kann das verstehen. Genauso kenne ich wiederum Radler, die körperlich sehr fit waren und ohne Probleme die Tour begannen, dann aber im Laufe der Zeit an ihrer mentalen Stärke scheiterten, was sich wiederum auf den Körper auswirkte. Es ist nicht Jedermanns Sache, bei 40 Grad einsam durch die Wüste zu radeln und nicht zu wissen, was kommt. Oder bei Sprühregen und 6 Grad im isländischen Hochland der Einsamkeit zu begegnen. Oder zum ersten Mal ein paar Tage alleine auf dem Elberadweg zu radeln.

Herausforderung: Weit weg, inmitten von Nichts und der Morgen ist ungewiss

Für meine nächste Tour im Frühjahr 2015 nach Georgien und Armenien bereite ich mich also mehr mental als körperlich vor. Durch meine #biketowork-Strecken bin ich ohnehin ganz gut in Form, aber das wird mir auf mehr als 50 Kilometer langen Strecken auch nicht viel helfen. Vielmehr setze ich mich gerade mit meinen Erwartungen an diese Reise auseinander.

Wie bereitest Du Dich auf eine Tour vor? Trainierst Du, oder nicht?

Diese Frage habe ich erfahrenen Reiseradlern gestellt, deren Antworten durchaus interessant und hilfreich für euch sein können:

Einfach aufsteigen und losfahren – Markus Schorn von markusschorn.de

„Ich trainiere nie. Normalerweise fahre ich sogar zwischen den Touren gar nicht Fahrrad. Ich habe kein „normales“ Rad, das ich gerne unbeobachtet in der Stadt stehen lassen will.

 

Wenn dann wieder eine große Tour ansteht, steige ich einfach auf und fahre los. Die erste Woche ist immer schmerzhaft. Kleine Hügel werden riesig und man merkt jedes Kilo in den Packtaschen. Ich versuche trotzdem mich durchzukämpfen, aber mehr als 70km sind immer schwer.

 

Nach einer Woche wird es besser, das ist immer so. Die Kondition kommt zurück und die Taschen werden leichter, wie durch Zauberhand. Manchmal kommt es mir vor als ob ich einiges vergessen habe. Kann man das Reisen verlernen? Ich denke nicht. Das ist wie Fahrradfahren und darum geht es ja hier.“

Auto abschaffen und Kopf frei machen – Stefan von showmetheworld.de

„Ich unterscheide zwischen kurzen (< 3 Monate) und langen (> 3 Monate) Touren. Für kurze Trips (oder Rekordversuche…) sollte man auf jeden Fall schon mal fit sein oder gar gezielt trainieren. Für die große Tour ist das eigentlich nicht nötig. Wer zwei bis drei Monate Monate schwer beladen durch die Gegend radelt, trainiert automatisch.

 

Wichtiger ist da eher das Bike und die Ausrüstung gut zu kennen, gesund zu sein und vor allem den Kopf frei zu haben, für das was da kommt. Generell empfehle ich einfach das Auto abzuschaffen und den Alltag mit dem Rad zu bewältigen. Das ist billiger, gesünder, ökologischer und meist sogar schneller und besser kann man das Training nicht in den Alltag integrieren. Genau das hab ich 2007 gemacht und so war ich ganz automatisch fit genug um für 4 Wochen über das isländische Hochland oder auch mal spontan nach Südfrankreich zu radeln.“

Etwas Sport und Reserven anfuttern – Christian terraintermite.com

„Besonderes Training vor einer Tour habe ich bisher noch nicht gemacht. Außer viel Rad fahren (ich habe gar kein Auto), halte ich mich daheim durch etwas Sport, wie Schwimmen und Laufen fit. Das würde ich aber nun nicht als spezielles Training bezeichnen. Meiner Erfahrung nach kommt die Fitness bei größeren Touren ganz automatisch, nur langsam angehen sollte man es am Anfang und sich nicht überanstrengen.

 

Allerdings habe ich vor meiner Wintertour durch den Himalaya schon versucht, mir im Vorfeld neben einer gewissen Grundfitness und Kondition, auch noch ein paar Kilos extra auf den Rippen als Reserve anzueignen.“

Wir nehmen uns Zeit – Melanie & Sebastian von Bishkek2Bali

„Uns geht es beim Radreisen in erster Linie um das Erlebnis selbst: Wir nehmen uns Zeit, wir lassen uns auf die Erfahrung ein und – ganz wichtig – wir genießen.

Den sportlichen Ehrgeiz, eine bestimmte Distanz in Rekordzeit zu bewältigen, haben wir eher nicht. Wir haben daher auch nicht vor unserer Reise trainiert, sondern sind mit dem täglichen Radfahren fit geworden. Wer aber z.B. nicht so viel Zeit mitbringt und seine Strecke daher nach einem straffen Zeitplan schaffen muss, für den kann es sinnvoll sein im Vorfeld zu trainieren.“

Geist trainieren, statt Körper – Richard Löwenherz von Lonelytraveller.de

„Trainieren? Ich denke die mentale Vorbereitung ist entscheidender als die körperliche. Ich hab vor einer Tour noch nie extra trainiert, aber gleichzeitig das Radfahren auch nicht zu sehr vernachlässigt (um die Grundkondition nicht zu verlieren).

 

Die erste Woche auf Tour ist in gewisser Weise mein Training. Ist jedoch die Herausforderung groß und die Zeit knapp, würde ich vorher schon etwas trainieren, damit ich gleich richtig loslegen kann. In der Regel fehlt mir aber die Zeit dazu. Ansonsten ergibt sich ja die mentale Vorbereitung in der Planungsphase quasi von selbst: also was kann mich unterwegs erwarten, wie gehe ich damit um, was brauche ich alles, Alternativen überlegen, falls der Primärplan misslingt, usw.“

 

Ich fahre Rad und mache Ballsport – Christian Pries von priesi.com

 „Also ich habe mich noch nie speziell auf eine Radreise vorbereitet. Aber ich fahre auch zuhause sehr viele Wege mit dem Rad anstatt Auto und mache sonst Ballsport.

 

Ich denke, als normal sportlicher Mensch kann man die benötigte Fitness, falls nicht 100%ig vorhanden, auch während der Tour erlangen.

 

2006 bin ich mit einem Freund drei Monate durch die USA gefahren, der zuvor so gut wie nie Fahrrad gefahren ist. Das war gar kein Problem, obwohl wir gleich zu Beginn auch über die hohen Pässe in Kalifornien fuhren. Die ersten paar Tage waren sicherlich etwas härter für ihn, aber die Fitness war sehr schnell antrainiert.“

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