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Übers Alleinreisen – und warum ich es nie mehr anders möchte

Wenn man alleine reist, fehlt einem dann manchmal natürlich diese Motivation, dieser Antrieb, den eigenen Schweinehund zu überwinden und sich dem zu stellen, was man sich all die Jahre überlegt und vorgenommen hat, auf das man hingelebt hat.

Häufig werde ich gefragt, warum ich allein reise. Wie das so ist und ob ich mich da nicht unsicher fühle. Ehrlicherweise habe ich mir bislang nicht wirklich Gedanken darüber gemacht. Und es ist ja nicht so, dass ich nur allein unterwegs war. Immerhin bin ich 8 Jahre lang mit Stephan auf Tour gegangen, kenne also das Reisen zu zweit.

Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das erste Mal allein gereist bin. Bei mir heißt das, allein mit dem Rad eine Tour gefahren bin. Ich glaube es war noch vor der Wende, so zwischen 1986 und 1988, als ich mich mit meinem Rad auf die damals unglaubliche Strecke von Leipzig nach Bad Düben aufgemacht habe. Knapp 30 Kilometer. Das war schon ein komisches Gefühl. Aufregend einerseits, aber auch mit viel Unsicherheit andererseits.

Wenige Jahre später war ich dann erneut allein unterwegs. Es war 1992, ein Jahr nachdem ich mit Stephan die erste große Tour durch Europa gemacht hatte. Ich wollte nach Bamberg und das allein. Und wieder war es eine Mischung aus aufgeregt sein und Unsicherheit, die mich begleitete. Und das, obwohl ich schon einiges an Radreise-Erfahrung hatte sammeln können. Das äußerte sich dann so, dass ich wie ein Wahnsinniger Strecke machte und dann an einem Stausee auf einem Campingplatz schlief, immer mit der Sorge ums Fahrrad, welches draußen vor dem Zelt stand. Und morgens in aller Frühe gleich wieder aufs Rad und weiter. Bekloppt!

Allein reisen, das bedeutete für mich damals immer fahren, fahren, fahren, um schnell ans Ziel zu kommen, wo ich dann nicht mehr allein war.

Aus heutiger Sicht klingt das schon komisch. Seit dem Jahr 2000 radle ich allein durch die Welt. Nach unserer Transasien-Tour von Leipzig nach Bombay 1998 haben sich die Radlerwege von Stephan und mir getrennt. 2003 machten wir zwar noch eine gemeinsame Tour durchs Baltikum. Da war mir aber bereits klar, dass ich viel lieber allein reise. Das hatte aber nichts mit Stephan zu tun.

Meine Radreise durch die Sahara im Jahr 2000 war dann meine erste echte Reise allein. Keine Tour mal schnell irgendwohin, sondern 65 Tage durch Afrika, durch menschenleere Wüste und menschenüberfüllte Städte. Und ich erinnere mich noch genau: als ich in Tanger von der Fähre fuhr, fühlte ich mich plötzlich sehr allein. Die vor mir liegende Strecke schien fast nicht zu bewältigen. Aber es gab keine Alternative und rückblickend fand ich es gut, dass mein innerer Schweinehund mit solch brachialer Kraft gebrochen wurde.

Natürlich ist es zu zweit manchmal besser, man kann sich austauschen, erlebt schwierige und schöne Situationen gemeinsam, weiß einfach, dass da noch jemand ist, aus dem gleichen Kulturkreis, quasi ein Anker des Gewohnten in einer vielleicht ungewohnten neuen Umgebung.

Aber allein zu sein und zu reisen ist für mich mittlerweile zu einem echten Luxus geworden. Ich arbeite in einem Beruf, in dem ich sehr, sehr viel mit Menschen zu tun habe. Das macht Spaß, aber es ist manchmal auch sehr angenehm, eben keine Menschen um sich zu haben, mit niemandem reden zu „müssen“ und eigene Entscheidungen treffen zu können, ohne Rücksicht zu nehmen.

Seit ich allein fahre, hat sich auch meine Art zu reisen verändert. Ich habe einen Tagesablauf gefunden, der zu mir passt und den ich spontan immer wieder kippen kann. Ich schaue mir viel mehr an als vorher. Nehme mir mehr Zeit und habe das Gefühl, intensiver meine Umwelt und die Menschen wahrzunehmen.

Interessanterweise bin ich durch das Alleinreisen viel offener geworden – für Begegnungen und Erfahrungen. Zu zweit ist man halt immer auch eine Gruppe und daher auch irgendwie geschlossen. Allein bin ich viel mehr auf das, was um mich herum passiert, angewiesen und davon stärker beeinflusst. Ich gebe natürlich Sicherheit auf, aber in diesem Fall ist es prima.

Beim Gespräch für den Artikel im Hamburger Abendblatt fragte mich der Journalist, was ich denn so den ganzen Tag mache, wenn ich allein vor mich hin radle. Gute Frage, ich radle halt. Ich denke da auch nicht an viel. Meist beschäftigt mich das vor mir liegende Ziel, oder ich denke über die Route nach, oder was ich als nächstes esse, oder eben an gar nichts. Und an gar nichts zu denken ist definitiv das Beste, was einem passieren kann 😉

Ich kann nicht mehr ohne das Alleinreisen. Es ist mittlerweile eine komische Vorstellung, wieder mit jemandem auf Tour zu gehen. Fast so unvorstellbar wie ein Hotelurlaub. Obwohl ich gerne mal wieder nach all den Jahren eine Tour mit Stephan machen würde.

Wer es auch mal probieren möchte und allein reisen will: es ist ganz klar das Verlassen einer Komfortzone. Aber es ist auch das Erobern neuer Erfahrungen. Das Wichtigste dabei ist, sich Zeit zu nehmen und sich selbst Zeit zu geben. Jeder muss seinen persönlichen Rhythmus finden, mit dem er sich und eine solche Tour aushält. Allein reisen heißt nicht allein sein. Man wird aufmerksamer und findet sehr schnell Kontakt, wenn man will. Und ist dann nicht mehr allein.

Was denkt ihr darüber? Würdet ihr auch allein reisen wollen? Oder lieber zu zweit oder mit mehreren?

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