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Dekadent oder Vernünftig – was darf/muss ein Rad heute kosten?

Dominik hat vor ein paar Tagen auf seinem Blog velofahrer.ch den Brief eines Lesers des Magazins „TrekkingBike“ aufgegriffen, in dem sich dieser über die hohen Preise einiger Räder wundert und meint, dass hier eine Entwicklung stattfindet, die so gar nicht mehr geht.

In der Tat, und das seht ihr ja auch in meinen Beiträgen zu den Traum-Reiserädern, kosten die Fahrräder (scheinbar) immer mehr Geld. Preise ab 4.000 Euro sind fast schon normal und Reiseräder, wie das Koga Signature oder das Rennstahl kosten dann mehr als 5.000 Euro. Die Gründe dafür sind sicherlich die zahlreichen Innovationen im Antrieb, aber auch in der Bremstechnik und im hochwertigeren Material zu suchen. Ein Pinion-Getriebe kostet alleine schon um die 1.200 Euro. Eine Rohloff-Nabe 1.000 Euro. Ein „vernünftiger“ Rahmen liegt auch mal schnell bei 600 bis 800 Euro und bei handgemachten Rahmen nach Maß kommen schnell Preise von 1.400 bis 1.500 Euro nur für Rahmen und Gabel zusammen.

Teuer und edel: rote Kombi aus Pinion, SON, Lampe und HR Nabe www.rennstahl-bikes.de

Aber ist das überraschend? Dieser Preisauftrieb ist ja nicht wirklich neu. Und wenn man sich mal die Rennradszene anschaut, werden hier durchaus höhere Preise für vergleichsweise wenig(er) Rad verlangt. Bei den Reiserädern ist es aus meiner Sicht aber erst in den letzten Jahren zu einer solch starken Preissteigerung gekommen.

Für Dominik ist ein hoher Preis aber kein Argument, um von Dekadenz oder gar davon zu sprechen, dass hier „was aus dem Ruder“ läuft. Berechtigterweise weist er darauf hin, dass wir ja bereit sind, mehrere tausend Euro ohne zu Murren in Autos zu investieren, aber dann bei Fahrrädern das Preisthema ansprechen. Auch weil wir meinen und gelernt haben, dass ein Fahrrad nicht etwas besonders Werthaltiges ist, sondern ein preisgünstiger Gegenstand.

Dafür sprechen auch die Statistiken: Laut Pressedienst Fahrrad betrug der Durchschnittspreis eines Fahrrads in Deutschland 520 Euro (2013; Quelle ZIV). Also schon sehr niedrig. Allein beim Verbund unabhängiger Fahrradfachgeschäfte (VSF) und deren Abverkauf lag der Durchschnittspreis 2012 bei 1.145 Euro, und damit etwas höher, als der Marktdurchschnitt. Allein in 2012 sind in Deutschland 3,95 Millionen Fahrräder verkauft worden, mit einem Branchengesamtumsatz von 4 Milliarden Euro.

Ein Fahrrad ist im Kern natürlich ein Transportmittel, ein Nutzgegenstand. Es ergänzt meist das Mobilitätskonzept eines Menschen, neben Öffentlichen und Auto. Natürlich gibt es auch immer mehr Menschen, die gar kein Auto mehr haben, oder gar einen Führerschein. Vor allem in Städten, wo ein Auto keinen Sinn macht und das Fahrrad neben den Öffentlichen dominiert. Und dennoch ist es „nur“ ein Fahrrad: Rahmen, zwei Räder, Lenker, Kette, Bremse, Schaltung und gut. Das kann doch nicht so teuer sein. Oder?

Nutzgegenstand Fahrrad Quelle: www.pd-f.de / sram

Auch ich überlege schon geraume Zeit, mir ein neues Rad aufzubauen. Stahlrahmen, Rohloff, Scheibenbremse usw. – Komponenten nicht vom Feinsten, sondern vom Haltbarsten. Und die kosten schon was, auch weil sie Wertarbeit sind, teilweise mit einiger Handarbeit, mit kluger Ingenieursleistung und aus bestem Material. Ob ich das alles tatsächlich brauche? Keine Ahnung. Vermutlich nicht. Aber es ist ja meist nicht die Vernunft, die hier regiert, sondern das Emotionale. Ich finde Fahrräder einfach toll. Sie sind meine Leidenschaft, es macht einfach Spaß, ein Rad zu bauen und zu „haben“ und entsprechend bin ich bereit, hier zu investieren und somit mir auch einen „Traum“ zu erfüllen.

Aber trotzdem habe ich mir bislang noch kein neues Rad gebaut. Ich finde es einerseits sehr verlockend, aber andererseits finde ich einige Preise unverschämt zu hoch. Ich bin einfach (noch) nicht bereit, diese Preise zu zahlen, zumal häufig der echte Mehrwert entweder nicht erkennbar ist, oder von mir und meiner Art zu fahren gar nicht ausgereizt werden würde. Aber da wären wir wieder bei der Vernunft… 😉

Rennrad, Retro-Bikes, Fixies, Titanboliden: Ist nicht vielmehr das Fahrrad doch zu einem Wertgegenstand geworden? Ein Statussymbol für die einen, um eine nachhaltige Lebenshaltung und Einstellung zu zeigen. Und hier darf es auch gerne etwas mehr sein, denn man nutzt dieses Statussymbol täglich und intensiv.

Für die anderen ist das Fahrrad ein Statussymbol, um einen „neuen“ Luxus zu demonstrieren. Sie gönnen sich etwas und was früher ein auffälliges Auto war oder die neueste Heimelektronik, ist heute ein Fahrrad als neues Luxus-Understatement. Und da darf es ruhig etwas teurer, mehr Design, mehr technologische Raffinesse sein. Und wie beim Porsche oder SUV gilt auch hier: Es geht nicht darum, dann diese Räder gemäß ihren Möglichkeiten zu nutzen, sondern sie als Selbstbelohnung zu haben, zu zeigen, auszufahren. Und ehrlicherweise ist das völlig OK so. Es ist mir zumindest lieber, als wenn noch mehr Autos als Statussymbole durchs Land fahren. Dann lieber Edel-Biker 😉  Und im Idealfall haben sie durch ihr Fahrrad auch noch den lokalen Handel oder gar lokale Manufakturen unterstützt.

Zudem hat man vom Fahrrad länger etwas, als von einem Auto: Es ist umweltfreundlicher, durchaus mobiler (vor allem in der Stadt) und kostet dafür im Vergleich erheblich weniger. Und wie man letztens lesen konnte, sind Fahrradfahrer auch die besseren Liebhaber und sogar klüger 😉

Naja, jetzt hab ich viel geschrieben und bin immer noch zu keiner wirklichen Meinung gekommen. Im Grunde geht es ja nicht um die Preisfrage: Hauptsache man fühlt sich wohl mit und auf seinem Rad. Und da ist erst mal der Wert, der Preis, das Geld egal. Ich jedenfalls störe mich nicht an den hohen Preisen, denn es zwingt mich ja keiner, diese zu bezahlen. Ich finde sie nur manchmal bemerkenswert, aber es scheint ja eine Nachfrage zu geben und die Bereitschaft, entsprechend zu investieren.

Nun interessiert mich aber, wie Du das siehst? Sind aus Deiner Sicht die teilweise hohen Preise nachvollziehbar? Oder ist das eine Entwicklung, die schon ins Dekadente geht und dem Rad seinen Zauber raubt?

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