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Worüber man nicht spricht: Angst unterwegs

Gestern las ich die Meldung, dass ein Reiseradler in Russland bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Leider ist er nicht der einzige in diesem Jahr. Zeitgleich las ich im Reiseradlerforum von Überfallwarnungen in einigen Ländern Südamerikas. Teilweise wird da mit Macheten auf einen losgegangen.

Seitdem es Radreisende gibt, gibt es solche Meldungen. Radler, die nach jahrelanger Tour kurz vor dem Ziel in Neuseeland von einem zugedröhnten LKW-Fahrer überrollt werden. Oder in den scheinbar einsamen Gegenden des Himalaya einem heranbrausenden Truck nicht mehr ausweichen können. Oder in Lettland erschossen werden, nur um etwas Bargeld und die Kamera zu rauben. Alles tragische Geschichten der letzten Monate und Jahre.

Immer wieder gesehen: die Folgen des indischen Straßenverkehrs

Das sind Meldungen und Tatsachen, die man gerne ausblendet, herunterspielt. Es wird mir nicht passieren! Ich passe schon auf. Ich bin viel zu erfahren. Da wo ich hinfahre, ist es nicht so schlimm! Natürlich steigt die Zahl der Ereignisse mit der Zahl der Radreisenden und ihrer vernetzten Kommunikation. Heute bekommt man einfach viel mehr und schneller mit als früher. Und immer mehr entdecken das Reiseradeln in nahe und ferne Länder für sich.

Verkehrschaos in Hanoi

Aber tatsächlich beschäftigen solche Ereignisse und Meldungen fast jeden Reiseradler, machen ihn betroffen, machen natürlich auch Angst und sorgen für Respekt. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, hierzulande in einen Unfall verwickelt zu werden, meist viel höher als unterwegs. Und es kann mir auch hier gleich um die Ecke eine Menge passieren. Das Risiko ist also fast immer gleich. Dass ich bislang ohne größere Blessuren durch #biketowork komme, ist schon fast ein Wunder (Klopf auf Holz).

Ich habe aber auch Angst. Und viel Respekt. Und immer nach solchen Meldungen komme ich ins überlegen, ob es nicht zu gefährlich ist, wieder auf Tour zu gehen. Zumal ich ja Familie und damit Verantwortung habe.

Warnung vor Überfällen im Reiseradler-Forum

Aber meist ist es eine Angst, die mich nicht lähmt, sondern noch konzentrierter macht, aufmerksamer. Im Vorfeld ist es eher Respekt vor der eigenen Courage. Wenn alles gepackt ist, die Route geplant, der Flug gebucht, es kein Zurück mehr gibt. Dann kommen manchmal Zweifel und mit ihnen eine leichte Angst. Die Angst vor der Veränderung. Das gehört aber dazu. Angst muss nicht negativ sein, sondern kann auch ein gesundes Startsignal, ein Weckruf sein.

Hier wird scharf geschossen – Marokko

Zum Beispiel unterwegs, wenn die Route durch unsichere Gegenden führt, oder auf stark befahrenen Wegen. Als ich in Uganda war, bin ich die Straße von Kampala nach Jinja an den weißen Nil gefahren. Dieser Abschnitt galt als sehr stark befahren und leider ohne Ausweichmöglichkeiten. Und tatsächlich war es extrem anstrengend und gefährlich. Ich hatte natürlich Angst davor, habe mir eine neue Art zu fahren überlegt und bin gut durchgekommen. Wie gefährlich es war, habe ich auf dem Hin- und Rückweg anhand dreier Autounfälle mit Todesfolge gesehen. Und in Marokko, Vietnam und Indien war es ähnlich: gefährlicher Verkehr und im Zweifel hätte es mich erwischt. Und manchmal hatte ich Angst vor dem kommenden Tag. Und oft hatte ich einfach nur Glück.

Auch Krankheit ist nicht immer angenehm unterwegs…

Da ich allein reise, ist Angst auch immer ein stiller Begleiter. Nicht in ihrer lähmenden und panischen Art. Ich bin vielleicht aufmerksamer, beobachtender, wenn ich alleine fahre. Ich weiß um meine Verletzlichkeit und darum, dass es einfacher ist, mich zum Beispiel zu überfallen. Daher sage ich zum Beispiel nie bei Fragen nach meiner täglichen Kilometerreichweite, wie weit ich tatsächlich radle. Oder auf die Frage nach der Übernachtung auch nie, wie ich es gerade geplant habe und wo ich es geplant habe.

Begegnung in der Einsamkeit der nordmalischen Wüste auf dem Weg nach Timbuktu

Egal ob große oder kleine Tour – Angst ist also normal. Und manchmal auch wichtig. Und solch traurige Nachrichten wie oben machen es immer wieder deutlich, wie gefährlich manchmal auch die Touren sind. Und trotzdem liebe ich es und bin bereit dieses Risiko einzugehen. Mit gesunder Angst, Respekt und Aufmerksamkeit.

Wie ist es bei euch: kennt ihr diese Angst? Oder macht ihr euch gar keinen Kopf? Was lösen solche Unfallmeldungen anderer Reiseradler in euch aus?

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