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Im Reich der Mücken – Mit dem Fahrrad von Leipzig zum Nordkap 1995

Im Reich der Mücken – Mit dem Fahrrad von Leipzig zum Nordkap 1995

Nordkapp 1995 – 5000 km durch Skandinavien

Erreicht man nach 3000Km die Insel Mageroya , sind es nur noch 33 Km bis zum nördlichsten Punkt Europas – dem Nordkap. Das Ziel scheint in greifbarer Nähe. Doch nicht nur der plötzliche Wetterumschwung, sondern auch eine „schreiende Hütte“ im Nebel, lassen den Weg dorthin zum Abenteuer, zur Odyssee werden.

Russland war nicht weit. Aber erst 3 Jahre später reisten wir dorthin…

Seit zwei Wochen Sonne. Immer nur Sonne. Eigentlich müßte es regnen, oder zumindest kalt sein. Es glaubt uns doch keiner, dass wir hier fast 1000 Km nördlich des Polarkreises sind und einen Sonnenbrand haben. An die hellen Nächte, die Rentiere und die Milliarden Mücken haben wir uns gewöhnt, doch diese Sonne ist unbegreiflich. Gemütlich warten wir auf die Fähre , welche uns auf die Nordkapinsel Mageroya bringen soll. Wenn alles so bleibt , sind wir am Nachmittag oben auf dem Nordkap. Verträumt beobachte ich das Farbenspiel des Regenbogens, welcher sich gerade vor uns aufbaut. Momentmal ! –  Ein Regenbogen ? Dann muß es doch auch irgendwo regnen?

Pause im Nirgendwo
Das Nordwetter hatten wir erwartete – und Sonne satt bekommen!

Nichtsahnend drehe ich mich zur Insel herum und mir bleibt der Mund offen stehen: Eine mächtige schwarze Unwetterwand schiebt sich unaufhaltsam heran. Noch ehe ich Stephan warnen kann, fängt es schon an zu tröpfeln. Hektisch schieben wir die Räder unter das Vordach einer Hütte. Wo sind nur die Regensachen ? Der Himmel öffnet seine Schleusen und es schüttet. Zum Glück kommt gerade die Fähre, welche uns nun eher wie die Arche Noah erscheint und wir sind erst mal im Trockenen.

Im Trockenen – später hatten wir 11 Tage Regen am Stück
… und es wurde kalt!
Nicht mehr weit…

In Honningsvag, auf der Nordkapinsel Mageroya, angekommen, ist es sehr kalt. Die Sonne scheint wieder, so als ob nichts gewesen wäre. Wir verlieren keine Zeit und radeln los. Wer weiß, wie lange das Wetter sich hält ? Vor uns liegt kein leichtes Stück Weg. Wir müssen von Meereshöhe auf 307 m Nordkaphöhe hinauf. Und so empfängt uns wenig später auch schon eine 10% ige Steigung. Als ob dies noch nicht ausreichen würde, beginnt es wieder zu regnen und ein starker Wind kommt auf.  Bald triefe ich  vor Nässe. Der Wind hat Sturmstärke angenommen und wirft mich hin und her. Selbst mein Fahrradcomputer hat keine guten Nachrichten – immer noch 26 Km bis zum Ziel. Ich riskiere einen Blick nach vorn und sehe  –  Nichts.

Nebel und Schnee am Nordkap

Unbemerkt ist Nebel aufgekommen und verschluckt alles um mich herum. Auch Stephan ist nicht mehr zu sehen.  Ich kann gerade noch die Straßenmarkierung erkennen. Die Landschaft mit ihren Klippen, Hügeln und Abhängen erahne ich nur. Was sind das eigentlich für weiße Flocken an meiner Jacke ? Also nun auch noch Schnee. Hatte ich nicht vorhin über die Sonne geschimpft ? Es gab mal eine Zeit, in der ich dachte, dass es nichts Schlimmeres für einen Radler gibt, als bei Gegenwind einen Berg hoch zu fahren. In Anbetracht meiner jetzigen Situation halte ich nicht länger an diesem Glauben fest.

Pause im Stehen…
Bergauf schwitzen, bergab frieren…

Den Naturgewalten ausgeliefert und wütend über den Wind  kämpfe ich mich immer weiter voran. Nach vielleicht 2 Stunden kann ich im Nebel das Schild „Nordkap“ entdecken. Sollte ich endlich da sein ? Die Aussicht auf einen warmen Raum und etwas Warmes zu essen läßt mich ohne Pause weiterfahren. Es kann, es darf nicht mehr weit sein. Urplötzlich schreit mich eine Stimme aus dem Nebel an. Mit Mühe erkenne ich ein Häuschen, etwa zehn Meter von mir entfernt. Neugierig nähere ich mich der „schreienden Hütte“ und bereue es wenig später. Man verlangt 25 DM von mir, damit ich auf das eigentliche Nordkap kann. Das darf doch nicht wahr sein. Da schinde ich mich fast 3 Stunden bei Sturm, Regen, Schnee und Nebel hier hoch, um dann eine Besichtigungsgebühr zu zahlen. Was bitte schön soll ich denn bei diesem Nebel besichtigen ? Es hilft kein Jammern und Verhandeln – ich muß zahlen. Wütend lehne ich mein Rad an die Eingangstür des Nordkap-Visitor-Centers. Wenigstens ist es hier drinnen warm. Wenig später kommt auch Stephan an – er hatte einen Platten inmitten des Wetterchaos und rief wütend irgendetwas von Hütte sprengen…

Am Nordkap – Schnee, Eis, Nebel…
Kaum im Nebel zu erkennen: der Globus – das Zeichen des Nordkaps

Nachdem wir beim Preisstudium für eine Tasse Kaffee fast einen Herzinfakt erleiden, verziehen wir uns in die tieferen Etagen des Gebäudes und verbreiten auf so ziemlich allen verfügbaren Heizkörpern unsere nassen Sachen, was uns nicht nur Sympathie einbringt. Wir fangen an Tourbuch und Briefe zu schreiben. Doch es unterbrechen uns immer wieder Busladungen von Touristen, welche durch das Center gejagt werden und ihren Lieben daheim am Telefon von Elchherden erzählen, welche auf der Straße herumgestanden hätten. Ich habe nie einen Elch gesehen, nur Rentiere. Vermutlich, weil ich ja auch keinen Elch gebucht habe.

Mittagspause in einer Schutzhütte
Zelten am Nordkap zwischen Wohnmobilen

Gegen 2 Uhr nachts verlassen wir das Center, um einen Zeltplatz zu suchen. Der Nebel hat sich etwas gelichtet, der Regen aufgehört. Am Horizont schimmert es leicht orange. Wenigstens ein bißchen Mitternachtssonne.  Es ist herrlich still. Ich stehe an der Nordkapklippe, denke über den vergangenen Tag nach und genieße das leichte Rauschen des 307 m unter mir liegenden Nordmeeres. So hat es sich also doch noch gelohnt, hierher zu fahren.

Nordische Idylle
Morgendliches Zusammenpacken
Entlang des Nordmeeres

Die Nacht verbringen wir im Zelt auf dem Nordkap und fahren am nächsten Tag zurück nach Honningsvag. Von dort setzen wir auf das Festland über und radeln weiter am Nordmeer entlang zur russischen Grenze und wenig später über Finnland nach Leipzig zurück.

Mit dem Rad zum Nordkap – viel Sonne, sehr viel Regen und Millionen Mücken
Mücken, Mücken, Mücken – nur vermummt kamen wir halbswegs gegen sie an
Stephan mit Mückenschutz

Bildergalerie Nordkap 1995:

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