Fahrradtrends 2016: Luxus-Räder, Würfeltour und ein leuchtender Rahmen auf Knopfdruck

Das Van Nicholas "Revelstoke"

Wie in jedem Jahr lud der Pressedienst Fahrrad auch diesmal zum Fahrradfrühling 2016, um aktuelle Fahrradtrends zu präsentieren.

Das war durchaus interessant, auch wenn man sich wie ich schon intensiver mit der Materie auseinandersetzt. Zusammenfassend kann man sagen:

 

2016 ist teuer.

Das „Luxus-Segment“ ist im Kommen. Ob und wie viel hier verkauft wird, kann man nicht sagen, aber das Angebot an preislich hohen und teilweise absurd teuren Fahrrädern steigt. Bei den Reiserädern kann man sich in Titan verlieren und bezahlt beispielsweise für ein Van Nicholas „Deveron“ schon mal schnell 6 bis 7.000 Euro.

Das Nicolai “Helios”

Oder bei den Mountainbikes, wo ein Nicolai „Helios“ mit 12.1 Pinion und Gates Riemen ab 6.700 Euro zu haben ist. Und wer es im Liegen versuchen möchte, der kann das HP Velotechnik „Scorpion fs 26“ auch in Vollausstattung für um die 10.000 Euro bekommen.

Das Scorpion fs © pd-f.de / HP Velotechnik

Das mit Bosch eMotor angetriebene Haibike „Xduro Fullseven Carbon Ultimate“ hat dann mal alles, was geht: vollgefederter Carbon-Rahmen, Carbon Laufräder, Elektroschaltung und vieles mehr machen es mit einem Gesamtpreis von 15.000 Euro zu dem derzeit teuersten Serien-MTB der Welt.

Dies zeigt, dass das Fahrrad sich von einem Nutzgegenstand zu einem Liebhaber-Stück und (wie wir in der Kommunikationsbranche sagen) Must-Have entwickelt hat. Es ist Statussymbol geworden und ehrlicherweise finde ich ein sündhaft teures Fahrrad viel besser als ein entsprechendes Auto. Zumal das Auto sehr viel mehr kostet.

Das Beste aber ist: man muss ja nicht ein teures Rad kaufen. Und wer ein teures Rad hat, der fährt ja auch Fahrrad. Und das ist es doch, worauf es am Ende ankommt: das Fahrradfahren und der Spaß daran.

 

2016 ist wartungsärmer.

Das Basteln am Fahrrad gehört natürlich genauso zum „Lebensgefühl Fahrrad“ dazu wie das Fahren. Aber nicht jeder ist begeistert, wenn er wieder am Rad schrauben muss. Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan und die Räder sind wesentlich wartungsärmer geworden.

Geschlossene Getriebeschaltungen, Riemen statt Kette, Scheibenbremsen, Laufräder: viele Teile am Fahrrad benötigen im Alltagsbetrieb kaum noch Aufmerksamkeit und verrichten unauffällig ihren Dienst. Ab und zu ein Blick drauf, aber der Besitzer kann sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren.

Mit Getriebe und Riemen: Das Van Nicholas “Deveron”

Ich fahre zwar noch mit Kette und Felgenbremsen, aber ich habe kaum noch Dinge am Rad, die kaputtgehen. Der normale Verschleiß ist bei Vielfahrern wie mir normal, aber beispielsweise mit Riemen statt Kette würde dieser sich auch noch mal reduzieren. Einzig die Magura HS33 Bremsen nerven mich durch ihr Quietschen und die unendlichen (und bislang erfolglosen) Versuche, dies in den Griff zu bekommen.

Die Kehrseite dieser Entwicklung ist aber natürlich, dass mit den Innovationen und neuen Produkten auch die Komplexität steigt.

Das HP Velotechnik “Scorpion”: in der Vollausstattung sogar mit Rückwärtsgang

Schauen wir nur mal auf das HP Velo „Scorpion fs“: In der „Vollausstattung“ mutiert das Liegerad zur Harley unter den Liegerädern. Mit Elektromotor, zwei Akkus (die sich auch wieder während des Fahrens durch Bremskraft aufladen können) und einem Rückwärtsgang macht es das Radeln sicherlich angenehmer, aber auch komplexer in der Wartung.

Wie beim Auto kann man irgendwann gar nicht mehr selber eine Panne am Rad beheben, sondern muss dafür in eine Werkstatt. Und gerade als Reiseradler ist man auf Komponenten angewiesen, die man überall reparieren, oder einfach ersetzen kann. Getriebe als Antrieb sind natürlich wartungsärmer, als eine Kettenschaltung, aber unterwegs im Fall der Fälle nicht reparierbar.

Inside Rohloff Speedhub

Die Rohloff hat sich mühevoll in vielen Jahren ihren Platz am Hinterrad der Reiseräder erkämpft, unter anderem auch durch den weltweiten und kompetenten Service. Eine Pinion muss sich noch beweisen. Scheibenbremsen ebenso, auch wenn ihre Bremsleistung und Materialschonung besser sind, als bei herkömmlichen Felgenbremsen.

Wartungsarmut ist aus meiner Sicht aber ein subjektiver Eindruck. Wie seht ihr das? Hat sich in den letzten Jahren da auch aus eurer Sicht viel getan und sind Komponenten und Räder entstanden, die immer weniger Aufmerksamkeit erfordern? Oder ist das alles „neumodischer Mist“?

 

2016 ist leuchtender.

Ein Hingucker beim Fahrradfrühling war das „Light Up“ von Brompton. Dieses Rad verfügt über einen Rahmen, der mit dem sogenannten Luminol-Lack beschichtet ist und auf Knopfdruck leuchten kann. Das soll vor allem beim Radeln in der Stadt helfen.

Bromton Light Up © www.pd-f.de / Paul Masukowitz

Ich bin mir aber nicht sicher, ob ein leuchtender Rahmen für mehr Sichtbarkeit sorgt. Ohne Vorder- und Rücklicht scheint mir diese Lösung aber nicht wirklich ausreichend. In jedem Fall sorgt sie aber für Aufmerksamkeit, wenn man seinen Rahmen anschaltet und dann leuchtet davonfährt. 🙂 Aber erst ab 2017.

 

2016 ist vielfältig.

Natürlich gab es neben den übergeordneten Trends noch eine ganze Reihe von Neuerungen und Entdeckungen auf dem Fahrradfrühling, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Schön Schlicht: das Fairdale „Weekender Archer“

Hübsch und günstig: das Fairdale

Fairdale ist eine Firma aus Austin in Texas und hat mit dem „Weekender Archer“ ein schlichtes, aber auch schönes und gleichzeitig günstiges Reiserad gebaut. Für 899 Euro bekommt man einen Stahlrahmen, der sehr zurückhaltend mit Komponenten ausgestattet ist.

Nur das nötigste ist dran, weshalb für das ganze Tourenerlebnis noch Gepäckträger und LowRider montiert werden müssen. Alle dafür nötigen Ösen sind vorhanden. Wer mag, der kann auch das Fairdale mit einer Rennlenker-Variante bekommen, oder mit Motocross-Lenker.

 

Schön Praktisch: der Abus Helm „In-Vizz Ascent“

Der Abus mit integriertem Visier. An dem Regler in der Mitte kann man das Visier nach oben oder unten verschieben

Hinter diesem komplizierten Namen verbirgt sich ein Fahrradhelm mit integriertem Visier. Dieses lässt sich einfach herunterklappen und so kann man auf sich ständig verändernde Lichtsituationen oder plötzlichen Insektenflug schnell und unkompliziert reagieren.

Das Visier ersetzt eine Fahrradbrille und lässt sich mit einer Hand bedienen. Der Helm wiegt 350 Gramm und kostet mit 155 Euro auch ein bisschen was.

 

Schön leicht: der Evo Tube von Schwalbe

Der derzeit leichteste Schlauch

Er ist blau und er ist der aktuell leichteste Schlauch auf dem Markt. Der „Evo Tube“ ist nur 68 Gramm leicht und es gibt ihn in 26, 27,5 und 29 Zoll, für 2,1 bis 2,5 Zoll Reifenbreite. Der Preis liegt bei 20 Euro.

 

Schön verschieden: der „Fat Albert“ für vorne und hinten

Schwalbe “Fat Albert” für vorne und hinten

Das wusste ich noch nicht: es gibt jetzt für das Fahrrad verschiedene Vorder- und Hinterreifen. Schwalbe bringt mit den neuen „Fat Albert“ reifen nicht einfach ein Update des erfolgreichen Mountainbike-Reifens heraus, sondern präsentiert gleich ein neues Reifenkonzept. Vorder- und Hinterrad unterscheiden sich in Profil und Mischung und genügen so den speziellen und unterschiedlichen Anforderungen an Traktion und Rollwiderstand.

Die Reifen sind entsprechend mit Front und Rear gekennzeichnet

Ich glaube, dass nur ein Bruchteil der Fahrer überhaupt einen Unterschied merken, aber wer sehr sensibel auf das Verhalten seiner Reifen achtet, der kann für 58 Euro pro Albert jetzt entsprechend reagieren.

 

Das waren die Fahrrad-Trends 2016 vom Fahrradfrühling 2016 in Hamburg.

Natürlich gab es auch Reiseräder zu sehen und viele Packtaschen, aber keine wirklichen Neuerungen, die ich nicht schon in meinem ausführlichen Rückblick auf die Eurobike beschrieben habe.

Das Velotraum Finder

Der Erfolg des Bikepackings ist natürlich auch in diesem Jahr nicht zu leugnen. Stellvertretend dafür standen das 650B Velotraum „Finder“ und das Van Nicholas „Revelstoke“ Pate.

Klassisch: das Koga Worldtraveller S

Mit dem Van Nicholas „Deveron“ und dem Koga „Worldtraveller S“ (mit den neuen 35 Liter Ortlieb-Taschen) waren die klassischen Reiseräder vertreten.

Die neuen extra-großen Ortlieb-Taschen mit bis zu 70L Fassungsvermögen zusammen

Und zum Schluss noch eine tolle Idee für die nächste Tour: Gunnar, Geschäftsführer des Pressedienst Fahrrad, erzählte, dass er demnächst auf „Würfel-Tour“ geht. Dabei fährt er nicht nach Plan, sondern an jeder Kreuzung wird gewürfelt: bei einer geraden Zahl geht es nach Rechts, bei einer ungeraden nach Links.

Eine tolle Idee, die sicherlich für viele Überraschungen auf Tour sorgt.

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9 Comments

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  1. says: Philip

    Hallo Martin,
    toller Blog, Danke dafür! Bin über die google suche “Island mit dem Fahrrad” hier gelandet, nachdem ich vorhin eine Doku über Island gesehen hatte… 🙂 Ist allerdings schon ‘nen Zacken aufwendiger, als mein geliebtes Griechenland, wo, bei einem Freund, eins meiner MTBs steht, mit dem ich dann dort jeden Herbst herumfahre. Eben halt ohne Zelt und viel Klamotten.

    Die Würfel-Tour find’ ich lustig, mir aber wenig zuträglich. Zu groß die Angst, bei meinem Glück, zehn Mal hintereinander die Fünf zu würfeln… Ich fahre allerdings oft nur nach Himmelsrichtung ohne vorherigen Plan. Ich finde es schön mich zu verfahren, da entdecke ich viel mehr. Insofern, dem Würfeln schon sehr ähnlich, verstehe was gemeint ist!

    Was die modernen Bikes angeht (der eigentliche Grund für meinen post) wollte ich eben nur folgendes schreiben: Ich finde sie technisch genial und hammergeil zum angucken – HABEN will ich nicht EINS von ihnen!! Und zwar aus ganz simplen Gründen: Ich brauche sie nicht. Ich sehe den Vorteil nicht. Ich sehe letztlich nichteinmal wirklich den Vorteil einer Scheibenbremse!! Federgabeln besitze ich auch nur eine und die ist ausgebaut. Ich sehe den Gewichtsnachteil an keinem Ende wieder wett gemacht. Wenn etwas kaputt geht (und das ist immer das Teil, von dem man es am wenigstens erwartet 🙂 ist das – selbst mitten in Deutschland – oft ein riesen Gezeter. Wenn man es nicht selbst reparieren kann, ist man meist ausgeliefert. 7 von 10 Radhändlern hierzulande empfinde ich ohnehin als unangenehm…
    Als Dip. Komm-Wirt stört mich ausserdem die Fahrradindustrie, mit ihrem ewigen und zunehmenden trend-settings (und nichts anderes sind es) und ich weigere mich, da mitzumachen.
    Ich stehe auf 90er Jahre Alu, Stahl, wurscht; hauptsache schön und schlicht. Zum Reisen und Offroad 26 inches, XT oder XTR. Für die Stadt (Berlin) und das Wochenende 28er und Campa. Ersatz-Schläuche und -Züge, -Bremsklötzchen und -Kette. Imbusschlüssel und gut ist’s. Habe etliche alte Bikes für Freunde wieder zum Leben erweckt und alle fahren keinen Deut schlechter als ein nagelneues. Von der Optik oder sogar “Sele” der alten Räder mal ganz zu schweigen. Mehr als 800 € muß ein gutes Bike eigentlich nicht kosten.

    Und so fahr ich seit fast 30 Jahren. So war ich in Canada und Californien unterwegs, und so fahre ich bald wieder durch Staub und Hellas-Hitze… (Mir ist übrigens auch noch nie eine Kette oder Felge gerissen – einmal ein Rahmen, einer der ersten Kettler Alus, um 1990)…

    Ich muß allerdings dazusagen, daß ich selten wirklich mehr als 100 Km am Tag fahre und das auch ungern tagelang. Ich stehe mehr auf kleinere Distanzen. Falls meine Radreisen aber länger werden, würde ich mal Rohloff ausprobieren, aber ehrlich gesagt, weiß ich auch da nicht genau weshalb (hab mir noch nie die Schaltung oder ein Schaltauge verbogen. Und das, obwohl ich als Jugendlicher sehr viel und brutal MTB durch den Wald geheizt und auch mal Kurrier gefahren bin. Und wenn ich mein Rad regelmässig putze, dann ist doch das nachjustieren einer XT/XTR hinten, auch nur eine Sache von ein paar Minuten mehr. Meist kommt eher ne neue Kette oder Zug drauf, als das sich da was verstellt.

    Bin sicher mehr der Purist, aber das ist für mich eben genau der echte Biker-Spirit, diese besondere Art, simpler Freiheit, die ich eben auf dem Fahrrad so verspüre… Weniger ist mehr.

    Abschliessend noch eine Frage: Welche Tour plannst Du als nächstes?

    🙂

    Liebe Grüße!
    Philip

    PS: Georgien könnte mich auch tierisch reizen. Toll!

    1. Hallo Philip,

      vielen dank für Deinen Kommentar!
      Ja, das mit den Rädern ist halt immer sehr individuell. Man muss nicht jedem Trend hinterher hecheln.

      Aber oft sind neue Entwicklungen ja nicht ohne Grund. Aber Innovationen stören mich gar nicht so sehr. Es ist doch das schöne am Radfahren, dass es grundsätzlich jeder kann und jeder wie er mag radeln kann. Ob als Purist mit der Vorliebe für alte Räder, oder als Trendsetter und Early Bird mit allem, was die Radindustrie zu bieten hat.

      Am Ende kommt es auf den Spaß an!

      Ich werde im kommenden Jahr in Patagonien rumradeln. Wenn es klappt.

      Viele Grüße und viel Spaß in Griechenland!

      martin

      1. says: Philip

        Absolut, jeder wie er’s mag und braucht. Wollte auch gar nicht rummosern, nur auf Deine Einladung reagieren, was ich denn von manchem, modischem Kram so halte. Ist sowieso erstaunlich, dass das Rad älter ist als das Auto, es sich aber – im Vergleich – eigentlich Null verändert hat. Von daher: passt schon…

        Und Patagonien ist natürlich wirklich die Krönung, das Radler-Maß der Dinge sozusagen. Da will ich in meinem Leben auch noch hin. Und für den Trip würde ich mir SOFORT ein 4″ Surly holen – mit allen framebags und pi pa po 🙂 Bin nämlich auch gar nicht wirklich gegen Innovationen. Muß nur Sinn machen. Der Zweck heiligt da letztlich die Mittel. Deswegen hab ich auch mehrere Bikes, weil es die eierlegende Wollmilchsau halt nicht gibt (und wenn, stell ich sie mir verdammt hässlich vor).

        Ich hoffe, dass Du gesund bleibst und alsbald Zeit findest diesen Trip zu machen. Bis dahin lese ich mir noch mehr von Deinen alten Touren durch und lass mich inspirieren. Grüazi wohl!
        Philip

  2. says: Markus

    Hi Martin,

    die Würfeltour finde ich interessant. Ich mache ein ähnliches Spiel in der Stadt mit Ampeln. An einer Kreuzung immer dahin fahren, wo gerade grün ist. Da lernt man seine Stadt noch ganz anders kennen. ,-)

    Viele Grüße
    Markus

    1. says: Jürgen

      Hi,
      auch ich bestimme manchmal durch Zufall, wie ich fahre. Es geht idR. darum, ob ich noch eine kleine Schleife fahre oder umkehre. Entscheider ist hierbei mein Tacho – ist die 100m-Stelle der Tageskilometer gerade, fahre ich geradeaus (was dann meistens noch eine kleine Extraschleife bedeutet), sonst biege ich ab und fahre zurück.