Markus ist eigentlich dauernd unterwegs und hat bereits ein Buch über seine Radtour durch Südamerika geschrieben. Auch durch einen schweren Unfall mit einem LKW in Argentinien ließ er sich nicht abschrecken. Gerade bereitet er sich mal wieder auf eine große Tour vor: 80.000 km soll es durch die Welt gehen. Mit dabei ist auch ein Kajak, mit dem Markus auch Flüsse und Seen erkunden möchte. Ein erster Test dieser Kombination aus Rad und Boot erfolgt in diesem Sommer entlang der Elbe, bevor es dann wieder auf die große Tour geht. Schön, dass Markus sich Zeit für meine Fragen genommen hat. Los geht´s…
Zum Warmwerden: Wie bist Du zum Radreisen gekommen?
2006 war ich mit dem Rucksack in Asien. Es war eine gut sechsmonatige Tour von Deutschland über Russland nach China und weiter nach Südost-Asien. Bis dahin hatte ich noch nie etwas von „Reiseradlern“ gehört. In Lhasa, der Hauptstadt von Tibet, kam mir plötzlich dieser australische Radfahrer entgegen, der nach fast einem Jahr auf der Straße nun unterwegs nach Hause war. Es hat nicht lange gedauert, bis er mich meinen Rucksack vergessen ließ. Mit seinen Abenteuergeschichten war es, als würde man Einblick in eine neue, unbekannte Welt erhalten. Während meiner Zeit in Indien habe ich an nichts anderes denken können und bei meinem Rückflug im Januar 2007 stand fest, die nächste Reise wird auf zwei Rädern sein.
Zum Träumen: Wo warst Du schon überall und wo musst Du unbedingt noch hin?
Inzwischen kann ich auf ein prall gefülltes Reisetagebuch schauen. Die einzelnen Länder aufzuzählen würde zu lange dauern, aber ich hoffe nächstes Jahr in den dreistelligen Bereich zu kommen. Obwohl ich schon einige Touren geplant hatte, habe ich bisher noch nie einen Fuß auf den afrikanischen Kontinent gesetzt. Aber das kann sich ja noch ändern.
Zum Nachmachen: Welches Land kannst Du empfehlen und warum?
Natürlich reist jeder anders und jeder hat andere Werte und Ziele. Immer wieder werde ich mit dieser Frage konfrontiert.
Australien ist ein tolles Reiseland. Es ist sicher, facettenreich und dank guter Infrastruktur relativ einfach zu bereisen. Hinzu kommt, dass die meisten von uns Englisch sprechen und man bis zum 31. Geburtstag sehr einfach ein Arbeitsvisum bekommt.
Für etwas geübte Reisende empfehle ich auf jeden Fall Südamerika. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit und trotz aller Schauergeschichten hatte ich nie Probleme.
Zum Erfahren: Was hat Dich am meisten unterwegs beeindruckt?
Wenn diese Frage schon kommt, wende ich mich nach Kolumbien. Natürlich sind es die Menschen, die jede Reise erst zu etwas Besonderem machen. Jeder kann zur Freiheitsstatue fliegen oder sich einen Wasserfall angucken, aber diese Bekanntschaften an den unterschiedlichsten und manchmal unrealistischsten Plätzen sind der Grund, unterwegs zu sein.
Nur zu oft habe ich es erlebt: wer am wenigsten hat teilt am meisten. In Kolumbien und Venezuela wurde ich jeden Abend zum Essen eingeladen und immer wieder habe ich einen Schlafplatz bekommen. Selbst wenn es nur ein kleiner Sandplatz neben dem Hühnerstall war, wo ich mein Zelt aufschlagen konnte. Ich habe in Kirchen übernachtet, bei der Feuerwehr, in Restaurants und sogar beim Militär. Meine limitierten Spanischkenntnisse waren dabei nie ein Hindernis.
Zum Leben: Bist Du lieber alleine unterwegs, oder zu zweit? Und warum?
Ich reise meistens alleine. Zumindest plane ich so. Ich freue mich immer wenn ich Gleichgesinnte treffe, die mich für ein Stück begleiten. Aber ich gehe nicht gerne Kompromisse ein und wenn es mir irgendwo gefällt, bleibe ich auch schon mal eine Weile. Und wenn es mir nicht gefällt, mache ich mich auch schnell wieder auf den Weg.
Das Reisen in der Gruppe hat natürlich seine Vorteile, vor allem logistisch. Trotzdem ziehe ich es vor selbst zu entscheiden, wann ich mein Zelt aufschlage. Auch das ist ein Stück Freiheit.
Zum Fahrrad: Stell es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Deinem Rad dran?
Ich fahre mit einem KOGA Signature-World Traveller. Dazu muss man wohl nicht viel sagen. Seit meiner ersten Tour von Köln nach Konstanz vor inzwischen 15 Jahren, träume ich von diesem Rad.
Seit 2008 fahre ich mit einer Rohloff Nabe, Ortlieb Taschen und Schwalbe Bereifung. Die Kombination hat sich auf mehreren zehntausend Kilometern bewährt. Sehr schnell habe ich gemerkt, dass auf langen Touren die Qualität der Ausrüstung über den positiven Ausgang mit entscheidend sein kann.
Dazu werde ich bei meiner nächsten Tour einen hinterher.com Trailer ziehen. Eine perfekte Ergänzung um mein Kajak rund um die Welt zu bringen.
Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?
Natürlich gibt es keine pannenfreie Tour. 2010, auf meiner ersten Weltreise, erlebte ich jedoch einen Supergau: nach über zwei unfallfreien Jahren auf dem Rad erwischte mich in Argentinien ein 40t LKW. Ich bin erst im Krankenhaus wieder aufgewacht.
Meine Wirbelsäule war zweimal gebrochen, mein linkes Schienbein dreimal, Beckenknochen gespalten und ich hatte Verbrennungen und Abschürfungen am ganzen Körper. Mein Kopf musste mit 40 Stichen genäht werden und ich durfte mehr als 100 Tage das Bett nicht verlassen.
Trotz allem hatte ich Glück im Unglück. Ich musste wieder laufen lernen und setzte alles daran, möglichst bald wieder aufs Rad zu kommen. Nur sechs Monate nach dem Unfall startete ich eine 4.000 km Radtour über den Balkan bis nach Istanbul.
Weil dabei mein Körper durch diverse Stahlkonstruktionen gestützt wurde, hatte ich einen speziellen Ausweis für den Rückflug 🙂
Ein Jahr nach dem Unfall wurde das Metall entfernt und begünstigt durch eine gute Reha, startete ich im Mai 2012 auf ein 12.000 km Abenteuer durch Australien.
Zum Wissen: Dein ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?
Ultimativ? Auch das gibt es nicht. „Mach was du willst.“ Ein einfacher Grundsatz. Lass dich nicht zu sehr von anderen lenken, besonders nicht von Menschen, die mal irgendwo irgendwas gehört haben. Es ist deine Tour und du musst mit deinen Entscheidungen leben.
Information ist wichtig, aber zu viel Angst macht das Erlebnis kaputt. Glaube nicht alles, was du hörst und manchmal wird ein kleines Risiko doppelt belohnt.
Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?
Das Gefühl beim Losfahren ist das Beste, was man sich vorstellen kann. Dieser Moment, wenn man alles gekündigt hat (Job, Wohnung, Fitnessstudio), das Auto verkauft ist, die Möbel eingelagert und es gibt nichts was dich jetzt noch halten kann. Die Freiheit liegt greifbar vor dir und du musst nur ein paar Muskeln anspannen, um sie zu erreichen.
Die Rückkehr ist ein großer Zwiespalt. Das Leben da draußen, dein normaler Alltag unterwegs, kann hier zu Hause niemand nachvollziehen. Du hast keinen Job, keine Wohnung und schläfst im besten Fall auf der Couch deines besten Freundes. Da ist es kein Wunder, dass man sich in den ersten Wochen zurück aufs Fahrrad sehnt, zurück auf die Straße, die so unbarmherzig sein kann und doch so treu an deiner Seite bleibt.
Leider kommt der Alltag schneller zurück als man denkt und es ist nicht einfach, sich dieses Gefühl zu bewahren, das man hatte, als man zum ersten Mal in die Pedale getreten hat. Wenn du dieses Gefühl nicht vergisst, dann hat dich der Virus erwischt… Willkommen im Club.
Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?
Es gibt einige große Pläne. Im September werde ich mit meinem neuen Rad, meinem Kajak und weiterem neuen Material von Prag nach Hamburg fahren. Das sind 1.000 km und diesmal geht es auf und entlang der Elbe Richtung Norden.
Die Tour ist sozusagen die Generalprobe für die nächste große Weltreise. Ein Kamerateam wird mich begleiten und die Reise dokumentieren.
Im November gehe ich auf große Vortragstour kreuz und quer durch Deutschland. Ich werde Original-Equipment ausstellen und über meine Weltreise 2008-2010 durch Europa, Amerika und Australien reden.
Im März 2015 geht es dann endlich wieder los. Von Köln aus, abwechselnd mit Rad und Kajak, immer der Sonne entgegen. Geplant sind 80.000 km durch Europa, Asien, Nord- und Südamerika und endlich auch Afrika.
Hier gibt es mehr über Markus:
Schönes Interview! Und ja, die Begegnungen mit menschen sind es, die eine Reise so besonders machen. Muss übrigens auch nicht immer am Ende der Welt sein. Ich teile auch die Meinung, dass man beim Reisen nicht zu sehr sehr auf die Unkenrufe anderer hören sollte. Ebenso wenig auf die Lobeshymnen! Eines wundert mich jedoch (auch im Zusammenhang mit all den anderen Weltreisenden in spe, die gerade dabei sind, alle Zelte abzubrechen oder es bereits getan haben): Warum ist für viele der “Alltag” so furchtbar? Ich finde meinen Alltag -nicht immer, aber doch meistens – sehr erfüllt. Meine Familie und Freunde, meinen Lebensstil und meine Umgebung schätze ich. Ich bin gerne unterwegs, freue mich aber auch über (und nach der Reise auf) mein Zuhause : ) Sonnige Grüße, Jutta
Hallo Jutta, ich frage mich das auch manchmal. Eine (Welt)Reise sollte nicht eine Flucht sein. Das kann ja nicht gut gehen, zumindest sehen wir das auf VOX eigentlich täglich, dass es nicht immer klappt 😉 Ich finde es zumindest sehr schön hier und “muss” nicht weg. Aber ich reise einfach gerne, freue mich aber immer auch auf das Wiederkommen. Vielfach braucht es halt bei einer solch großen Entscheidung wie einer Weltreise, auch gute Argumente, mit denen man sich selbst Mut macht und seine Entscheidungen begründet. Und vielleicht ist es nicht einfach die Flucht vor dem Alltag, sondern die Neugierde auf das Neue. Wer allerdings die “Freiheit” sucht auf einer solchen Reise, soll sich unbedingt melden, wenn er sie gefunden hat ;-))))) DAS kann ich wiederum nicht nachvollziehen. Aber ist ja auch ein anderes Thema…
Gruß, Martin