Reiseradler-Interview #26: Reinhard Pantke von bike-around-the-world.de

Unterwegs in Alaska © Reinhard Pantke

Vor einiger Zeit habe ich ein Foto entdeckt, dass eine Schotterpiste in Alaska zeigt und auf ihr einen einsamen Radfahrer. Ein tolles Bild. Natürlich wollte ich mehr über den Fotografen erfahren. Das Bild stammt von Reinhard Pantke, der in den letzten 30 Jahren mehr als 170.000 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt hat. Dabei lebt er seinen Traum, denn er ist selbstständiger Fotograf und Vortragsredner und radelt zu seinen Bildern und Motiven. In der deutschen „Reiseradler-Szene“ ist Reinhard aka „Der Panther“ bekannt, auch weil er ein sehr auffälliges Fahrrad fährt, das er liebevoll „das Rote“ nennt. Mit diesem geht es vor allem in den Norden. Besonders Norwegen hat es ihm angetan, wo er schon über 20-mal war. Doch heute ist er hier im Interview. Herzlich Willkommen Reinhard!

Reinhard und sein Rad © Reinhard Pantke
Reinhard und sein Rad © Reinhard Pantke

 

Zum Warmwerden: Wie bist Du zum Radreisen gekommen?

Oh, meine erste Radtour habe ich im Alter von 14 Jahren mit meinem Bruder durch Dänemark gemacht. Mit 16 bin ich dann das erste Mal mit einem 3-Gang Rad, Kumpel und damals noch Konserven (!) im Gepäck nach Norwegen gefahren. Dann habe ich nach der Schule etwas Geografie studiert, aber mich eher auf den praktischen Part – das Reisen – verlegt.

Schließlich wurden es immer längere Rad-Reisen und ich habe mein Hobby irgendwann zu einem Bestandteil meines Berufes (Fotograf) gemacht. Das ist nicht immer einfach und reich wird man damit sicher nicht. Man muss zudem Prioritäten setzen und sich ständig auf die eine oder andere Art selbst „etwas in den Hintern“ treten! Allerdings heißt das für mich auch, dass ich nur Dinge mache, hinter denen ich persönlich stehe und sie mich interessieren, insofern fühle ich mich als Selbstständiger schon privilegiert!

 

Zum Träumen: Wo warst Du schon überall und wo musst Du unbedingt noch hin?

Also, ich bin eigentlich gar nicht in so vielen Ländern gewesen. Ich bereise halt, auch um meine Vorträge aktuell zu halten, immer mal wieder einen Pool ähnlicher Länder. So bin ich jetzt wohl in den letzten 30 Jahren ca. 170.000 km geradelt. Und das in Deutschland, Osteuropa, dem Baltikum, Kroatien, Slowenien, Frankreich, Spanien, Österreich, den Kanaren, Holland, Luxemburg, England, Schottland, Irland, Island, Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland, USA, Kanada, Neuseeland, Australien, Fiji, Samoa und paar kleineren Südseeinseln 🙂

Insgesamt zieht es mich aber eher immer wieder in die nördlichen und einsameren Gefilde! Unbedingt noch hin will ich nach Südamerika, Kuba und eigentlich würde ich sehr gerne die alte Seidenstraße über Pakistan fahren, was aber angesichts der aktuellen Lage dort wohl zumindest momentan unrealistisch ist. Die längste Tour war die Trans-Canada Tour von Vancouver nach Halifax mit 7.200 km.

 

Zum Nachmachen: Welches Land kannst Du empfehlen und warum?

Mein persönliches Lieblingsland ist eigentlich immer noch Norwegen. Da bin ich wohl schon so um die 20-mal da gewesen, aber entdecke immer wieder Neues. Obwohl nicht zu weit entfernt, faszinieren mich die Weiten und die abwechslungsreichen Landschaften. Das Land erstreckt sich auf über 2.600 km und ist nicht nur wunderschön, sondern begeistert mich im Sommer einfach auch, weil ich mir den Tag komplett frei einteilen kann. Es wird ja nicht oder nur kurz dunkel. Zudem kann ich da mein Rad einfach am Straßenrand stehenlassen und eine Wanderung machen und bin mir sicher, dass da Nichts wegkommt. Ok, günstig ist es nicht, aber das hält die Massen fern!

 

Zum Erfahren: Was hat Dich am meisten unterwegs beeindruckt?

Buh, die Frage kann ich nach so vielen Radtouren unmöglich beantworten. Da gab es vieles, aber ganz spontan fallen mir aus den Letzen Jahren zwei Dinge ein: Wenn es rein ums Radfahren ging, dann waren es wohl die Etappen 2012 im Norden Kanadas, wo es von Whitehorse via Dawson City nach Alaska ging.

Insgesamt im Yukon Territory und Teilen Alaskas über 1.000 km durch Wildnis, wo man an einigen Tagen am Abend mehr Bären als Autos sah (beliebter Joke der Einheimischen: „Oh, Meals-on-wheels is on tour“). Hier hatte ich auf den ersten 650 km nur drei Einkaufsmöglichkeiten: am Anfang, in der Mitte, und am Ende.

Und dann Dawson City selbst, eine Stadt, die in Teilen aus der Goldgräberzeit erhalten geblieben ist, wo Bier günstiger als Kaffee ist und man oft denkt, dass manche Typen eher mit einem Nugget bezahlen werden. Da bekam ich das erste Mal eine „Polizeieskorte“, die mich sicher an einem Grizzly vorbeibrachte, der mit Jungem direkt am Straßenrand hockte.

Auch der weiterführende „Top of World Highway“ brachte mich leicht an meine Grenzen. Der folgte nicht, wie das Straßen allgemein tun, Tälern, sondern Höhenzügen. Über 350 km ging es ohne jede Besiedlung, mit sehr wenig Wasser, nur rauf und runter. Es gibt lediglich ein einziges Dorf mit 20 Einwohnern und man ist weitestgehend auf sich allein gestellt. Handys funktionieren nicht und ab einer bestimmten Uhrzeit kommen auch keine Autos mehr, da die Grenze zwischen Kanada und Alaska nachts geschlossen wird. Wenn man dann in der Nähe des Zeltes Grizzlies sieht, wird einem schon etwas mulmig, auch wenn Freunde mal sagten „so wie Du aussiehst, adoptieren die Dich höchstens“.

© Reinhard Pantke
© Reinhard Pantke

Menschlich war ich sehr beeindruckt von einer älteren Dame aus der Ukraine, die ich letztes Jahr kurz in Norwegen traf. Die Frau war schon über 60, hatte ein altes klappriges Rad mit Packtaschen, die wohl selbst genäht waren. Die Dame hatte kaum Geld und erzählte mir, dass sie trotzdem durch Norwegen tourt und immer wieder bei Bauern oder in Betrieben für Logis oder kleines Entgelt arbeitet. Und obwohl sie nach unseren Maßstäben ein ganz armer Schlucker war, sie hatte kaum 200 Euro dabei, war sie völlig begeistert von dieser Art des Reisens und den Eindrücken, die sie so gewann. Sie lebte dabei ihren Traum.

Da merkte ich erstmal wieviel „unnötigen Ballast“ man mit sich herumträgt und wie unterschiedlich man Probleme lösen kann.

 

Zum Leben: Bist Du lieber alleine unterwegs, oder zu zweit? Und warum?

Auf kurzen Touren von ca. zwei Wochen oder abschnittsweise gerne mal zu zweit, ansonsten bin ich eher lieber allein unterwegs. Nicht nur wegen eines vielleicht anderen Fahr-Rhythmus, sondern auch, weil ich immer öfter anhalte um Bilder zu machen. Oder weil das Wetter grade sehr bescheiden ist und ich auch mal ein oder zwei Tage an einem Standort bleibe, um die nötigen Bilder für Vorträge, Artikel, Kalender oder Unternehmen aus dem Tourismusbereich zu bekommen.

Das verstehen viele nicht, aber ich habe z.B. letztes Jahr in Norwegen über 8.000 Bilder gemacht. Ich schleppe ja mittlerweile über fünf Kilogramm Kameraausrüstung mit rum.

Das heißt aber nicht, dass ich ungesellig oder gar ein Einsiedler bin. Ich habe schon ganz gern Kontakte, das habe ich insbesondere bei meinen doch sehr einsamen Touren gemerkt, die mich 2009 in vier Monaten von Vancouver nach Halifax führten und 2012 von Vancouver nach Anchorage in Alaska. Da freute ich mich, wenn ich endlich mal wieder mit jemandem längere Zeit reden konnte!

 

Zum Fahrrad: Stell es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Deinem Rad dran?

Ein Patria Terra, ich nenne es immer das „Rote 2“. Das „Rote 1“ noch mit Rohloff wurde mir letztes Jahr nachdem ich vier Monate zum Nordkap geradelt war, bei einer der folgenden Veranstaltung geklaut. Der Rahmen ist eine Maß-Anfertigung, denn ich hatte in den letzten Jahren mit meinem anderen Rad ständig Rückenschmerzen. Dazu sollte man wissen, dass ich fast zwei Meter groß bin und nicht der typische „Leichtgewichtsradler“ 🙂

Das Rote 2 © Reinhard Pantke
Das Rote 2 © Reinhard Pantke

Die Komponenten sind relativ „Old School“: 26er, einen Brooks Ledersattel, Stahlrahmen, natürlich KEINE Federgabel, Shimano Deore LX, Tubus Trägern hinten und vorn, Schwalbe Marathon XR. Meist sind auf langen Touren 35-40 kg Gepäck dabei.

 

Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?

Pannen gibt es immer wieder, aber zwei sind mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Auf meiner ersten Islandtour brach mir mitten im Hochland, ca. 200 km vom nächsten größeren Ort, eine der Streben ab, die den Sattel halten. Da zu dieser Zeit noch keine Busse fuhren und jedes Auto bis unter das Dach vollgepackt war, musste ich 200 km auf Schotter- und Sandwegen im Stehen fahren. Sehr gut für die Beinmuskulatur, aber besch… für die Laune.

Eine andere „Panne“ gab es dort im Sommer 2015: Zwei Wochen lag ich mit einer Bauchspeicheldrüsenentzündung im Krankenhaus in Reykjavik. Ein sehr merkwürdiges Gefühl, da ich anfangs nur an eine Lebensmittelvergiftung gedacht hatte und staunte, als ich plötzlich verkabelt im Bett lag!

Eine sehr blöde Panne hatte ich mal in Schottland: mein Felgenband war gerissen und ich hatte weder Tape noch ein Ersatz-Felgenband dabei. Jedes Mal wenn ich bremsen musste, und das muss man in den Highlands, führte das zu einem Platten. Insgesamt musste ich meinen Reifen 17-mal an einem Tag flicken! Auf einer anderen Tour hatte ich mal den Adapter für die Luftpumpe verlegt, was ich mitten im norwegischen Fjäll, ca. 70 km vom nächsten Ort, schmerzlich bemerkte.

 

Zum Wissen: Dein ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?

Gibt es nicht! Man sollte die Reisen, Einstellungen der Reisenden und Reiseziele nicht zu sehr miteinander vergleichen. Jeder Trip hat seine Reize, wenn man reist, ohne den Ballast des bereits Erlebten ständig hervorzukramen.

Für mich persönlich gilt: Nicht zu viel planen, sondern Dinge auch mal auf sich zu kommen lassen und überhaupt an sich ranlassen. Klar ist das nicht einfach, wenn man nur einen begrenzten Zeitrahmen zur Verfügung hat. Aber viele neigen heute dazu, einfach nur zu konsumieren und nehmen sich kaum die Zeit Gesehenes wirken zu lassen.

Ich schätze das Reisen mit dem Zelt übrigens nicht nur aus finanziellen Gründen. Man ist insgesamt viel flexibler. Und bloß nie die neueste Technik auf lange Touren mitnehmen: in manchen Ländern dauert es lange, bis diese dort ankommt!

Man sollte auch bei längeren Reisevorhaben nicht zu sehr auf die Meinungen dritter setzen. Ob was geht oder nicht, entscheidet sich zu einem nicht unerheblichen Teil auch im eigenem Kopf – entsprechende Fitness und Verbreitung vorausgesetzt!

© Reinhard Pantke
© Reinhard Pantke

 

Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?

Definitiv das Wiederkommen, auch wenn ich festgestellt habe, dass ich vor einer langen Reise in den letzten Tagen vor dem Start oft sehr schlechte Laune habe. Das legt sich aber immer, wenn ich erstmal gestartet bin.

Grade nach langen Reisen, die drei oder vier Monate dauerten, empfinde ich es als schwer sich wieder in den Trott geregelter Abläufe einzufügen und seinen Tagesablauf umzustrukturieren. Schließlich muss man ja auch einiges für die Schaffung seiner „Freiräume“ tun.

Zudem merkt man ja grade dann erst recht, wie viele Leute aus dem Umfeld nur stur im Hamsterrad des Alltags mitlaufen, ohne es selbst zu merken. Ich versuche nach Rückkehr die innere Gelassenheit und Ruhe, die man auf seinem Trip gewinnen kann, zumindest solange wie möglich zu konservieren. Grade wenn man mehrere Monate unterwegs gewesen ist, verändert sich der Blickwinkel auf das eigene Umfeld oft und manches erscheint im anderen Licht.

Ich frage mich immer, wie die Rückkehr von Leuten empfunden wird, die oft viele Jahre unterwegs sind? Allerdings möchte ich auch nicht an den Punkt gelangen, wo Reisen oder das Unterwegssein mental zum „Alltag“ geworden sind! Ich merke allerdings oft auch, dass ich unzufrieden werde, wenn es im Frühling nicht die „Droge“ Radreise gibt!

 

Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?

In diesem Jahr werde ich Großbritannien von Cornwall bis Nordschottland beradeln. Ich war die letzten fünf Jahre immer 3-4 Monate im Sommer unterwegs und will mal ein bisschen zuhause sein. 2017, wenn ich 50 werde (ja, bin schon ein „alter Sack“), will ich zu diesem Anlass nochmal für mehrere Monate nach Neuseeland. Eine gute Entschuldigung, um große Feiern zu sparen 🙂 Und außerdem würde ich wirklich liebend gern nach Patagonien, leider kollidiert das meist mit meiner Vortragssaison.

Wer Interesse an meinen Aktivitäten hat, wird auf meiner Website www.bike-around-the-world.de fündig.

Dort findet man Termine zu meinen Vorträgen, die ich hauptsächlich im Winter zeige, Kalender oder auch die Möglichkeit meine Bilder als Poster, Leinwand oder z.B. Kalender ins Haus zu holen, einfach mal unter Links stöbern gehen.

Happy Biking!

 

Hier gibt es mehr über Reinhard:

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3 Comments

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  1. says: Alon

    Super Interview! Da bekommt man sooooowas von Fernweh – vor allem bei solchen Bildern. Am liebsten würde ich direkt meine Taschen packen und einfach losradeln…Südamerika kann ich auch nur empfehlen. Vor allem Argentinien die Ruta 40, aber nur wers heiß mag 😉

  2. says: Martin

    Ich war letztes Jahr in Oldenburg bei Ihm zum Vortrag “Mit dem Rad zum Nordkap”. Der Vortrag war gut und ich fahre selbst dieses Jahr auch wieder durch Norwegen, aber zu meinem privaten Vergnügen und brauche meine Rente durch anschließende Vorträge nicht aufzubessern. 😉
    Ich habe hier in meinem Wohnort auch ein paar Leute die Vorträge in der VHS halten, aber bestimmt nicht, um damit Geld zu verdienen. Auch sie haben aussergewöhnliche Radtouren weltweit gemacht und anschließend wird noch geklönt. Aber ich habe auch andere ausser R. Pantke kennengelernt, die durch Vorträge, Bücher, DVD usw. ihren Lebensunterhalt bestreiten (müssen). Bei allen habe ich leider festgestellt, das eine Unterhaltung anschließend nicht möglich ist, da sie selbstständig sind im wahrsten Sinne des Wortes und ich immer das Gefühl hatte, das sie unter Dampf stehen. Wenn ich denen ihre Terminplanung sehe, ist das auch kein Wunder.

    Das ist eigentlich Schade, das man keine Zeit mehr findet, um sich etwas länger mit dem Publikum zu unterhalten. Deshalb besuche ich solche, wirklich guten Vorträge nicht mehr, weil wie schon geschrieben diese Art der Vorträge und das drumherum mir nicht gefällt.
    Ich habe einige Hobbys mit denen ich auch Geld verdienen könnte, aber dann wäre es kein Hobby mehr.

    Ich beneide diese Fernreisenden in keiner Art und Weise, die durch Berichte usw. ihr Leben besteiten müssen. Dann eher so fahren und irgendwie das Leben genießen, wie die ältere Dame aus der Ukraine.
    Gruß
    Martin

    1. Hallo Martin,

      ich war noch nie bei einem Vortrag von Reinhard, möchte das aber mal machen.
      Ich habe früher selber Vorträge gehalten und kann verstehen, dass man als Referent nicht immer allen Interessenten nachkommen kann. Manchmal sind es einfach auch zu viele Leute. Aber ich mag es auch eher wie von Dir beschreiben in kleinerem Kreis mit Zeit und Ruhe zum Quatschen. Jeder wie er mag halt 😉

      Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Reinhard so sein Geld verdienen MUSS, sondern eher WILL. Und von der Rente ist er mit seinen 50 Jahren ja noch meilenweit entfernt 😉 Und selbst wenn: wenn es ihm Spaß macht, warum nicht?

      Viele Grüße,
      Martin