Reiseradler-Interview #7: Heike von Pushbikegirl.com

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Eine lachende Radlerin inmitten einer Traube von Menschen im Iran: dieses Bild einer iranischen Zeitung auf Heikes Blog machte mich auf sie und ihre Tour aufmerksam. Heike Pirngruber war schon immer Sportlerin, schon immer Reisefreak. Sie liebt die Natur, die Ruhe und die Einsamkeit. Aber auch, neuen Menschen zu begegnen und sich intensiv mit ihnen auszutauschen. Zudem ist sie Künstler und liebt die Fotografie. Und wo kann man all dies zusammen am besten? Na klar, auf dem Rad unterwegs in der Welt. Und so habe ich Heike im Iran für mein Interview begeistern können. Derzeit ist sie inmitten ihrer “Let’s go East” Radreise. Im Mai 2013 zu Hause gestartet, möchte sie irgendwann in ferner Zukunft den roten Kontinent, Australien, erreichen. Was danach kommt, weiß sie noch nicht.

Heike und ihr Rad © www.pushbikegirl.com
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Zum Warmwerden: Wie bist Du zum Radreisen gekommen?

Ich sehe mich heute noch vor Augen, als ich damals neben Herrn Michail Gorbatschow stand und um ein Autogramm bat. Das einzige Autogramm, das ich mir je habe geben lassen. In der Hand hielt ich die erste Ausgabe des Fahrradweltführers, er unterschrieb mit Michail auf der ersten Seite. Der Mann war für mich jemand Besonderes, das Buch auch. Ich wusste damals schon, dass in diesem Buch meine Träume steckten. Warum ich erst etwa 10 Jahre später die erste Radreise unternommen habe, weiss ich selber nicht. Manchmal dauert es anscheinend ein bisschen länger, bis man seinen Weg findet, oder aber sich auch traut, seinen eigenen Weg zu gehen.

Es ging übrigens damals nach Uganda.

Letztens in Armenien... © www.pushbikegirl.com
Letztens in Armenien… © www.pushbikegirl.com

Zum Träumen: Wo warst Du schon überall und wo musst Du unbedingt noch hin?

Ich habe einiges gesehen, doch die Welt ist riesengross. Es stehen noch so viele Länder und Regionen auf meiner To-Do Liste, dass meine Lebenszeit kaum dafür ausreichen wird.

Ich liebe die einsamen Regionen, daher träume ich seit Jahren von der Mongolei, Kamtschatka, Alaska, Patagonien und Äthiopien.

Zelten im Nirgendwo © www.pushbikegirl.com
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Zum Nachmachen: Welches Land kannst Du empfehlen und warum?

Island, weil es einzigartig ist und weil man sich die Schönheit mit dem Rad hart erkämpfen muss.

Tajikistan, grossartige Natur und herzliche Menschen.

Australien, nirgendswo hat man schneller ein Lagerfeuer entzündet als in den endlosen Weiten des roten Kontinents. Eukalyptusrinde brennt wie Papier. Noch immer mein Traumland.

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Zum Erfahren: Was hat Dich am meisten unterwegs beeindruckt?

Die Naturgewalten auf Island erleben zu dürfen war sicherlich eines meiner ganz grossen Highlights im Leben. Ich kämpfte 5 Wochen gegen Wind und Wetter. Der Sturm war teilweise abartig heftig, die Wolken teils zum Greifen nahe. Es war oft nass und kalt. Flüsse mussten gefurtet und extrem felsige Pisten überwunden werden. Wir hatten damals Essen für 10 Tage dabei, das uns zum Schluss leider nicht reichte, denn wir brauchten im Hochland deutlich länger als geplant. Alles in allem war es jedoch jeden Schweisstropfen wert gewesen. Als ich nach 5 Wochen in den Bus zum Flughafen stieg, schlief ich nach bereits 2 Minuten auf dem Sitz ein. Ich hatte die anstrengendsten Wochen meines Lebens hinter mir. Ich war total am Ende.

Heike auf Island © www.pushbikegirl.com
Heike auf Island © www.pushbikegirl.com

Zum Leben: Bist Du lieber alleine unterwegs, oder zu zweit? Und warum?

Das ist eine sehr schwere Frage, bei der ich denke, dass sie nicht zu beantworten ist. Wie alles, hat es seine 2 Seiten: es ist toll, wenn man jemanden an seiner Seite hat, mit dem man alles teilen kann, mit dem man reden kann und auf den man sich verlassen kann. Der die gleichen Interessen hat, das gleiche Tempo, das gleiche Budget, den gleichen Rhythmus. Doch wo gibt es diesen Menschen? Wie lange hält man es wirklich miteinander aus? Eine Radreise ist etwas Extremes. Für ein paar Wochen kein Problem, doch über Jahre hinweg wird es sehr schwer sein, den passenden Menschen zu finden.

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Ich fühle mich manchmal alleine, doch sehe ich auch die Vorteile meiner Solo-Tour. Ich bekomme viel einfacher Kontakt zu den Menschen, werde viel eher eingeladen. Auch wird mir an jeder Ecke geholfen. Die Leute entwickeln einen Schutzinstinkt, wenn sie mich alleine als Frau sehen. Hätte ich einen Mann an meiner Seite, wäre das sicherlich ganz anders.

Es ist auf jeden Fall deutlich mehr Abenteuer, alleine unterwegs zu sein, und ich liebe Abenteuer.

Zum Fahrrad: Stell es uns bitte mal kurz vor: Welche Komponenten sind an Deinem Rad dran?

Ich bin Künstler, kein Techniker.

Es ist blau und leider viel zu schwer. Doch es ist mein bester Freund. Nämlich der einzige Freund, den ich derzeit täglich um mich habe.

Heikes Fahrrad © www.pushbikegirl.com
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Zum Mitfühlen: Gab es Pannen unterwegs und falls ja, welche?

Ja, ein paar sogar. Doch der Knaller war, als ich eines Morgens in Montenegro aufwachte und ein seltsames Geräusch wahrnahm. Ich war plötzlich hellwach und musste mit ansehen, wie ein Hund gerade genüsslich meinen Sattel zerfetzte.

Hundeschaden © www.pushbikegirl.com
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Zum Wissen: Dein ultimativer Tipp für das Reisen mit dem Fahrrad?

Plane nicht zu viel und habe keine Angst. Fasse Mut und radel los. Spare am Gewicht. Fahr auch los, wenn Du keinen Partner finden kannst. Es geht auch sehr gut alleine.

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Zum Nachdenken: Was ist schwerer: Losfahren oder Wiederkommen?

Vor dem Start meiner jetzigen Reise dachte ich lange darüber nach, ob ich wirklich losfahren soll. Die erste Zeit war nicht einfach für mich, da ich nicht wusste, wann ich meine Familie und Freunde wiedersehen würde. Heute, 10 Monate später, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird, wieder nach Hause zu gehen. Im Moment für mich absolut unvorstellbar.

Daher ganz klar: Wiederkommen.

Im Iran © www.pushbikegirl.com
Im Iran © www.pushbikegirl.com

Zum Abschluss: Was ist als nächstes geplant?

Let’s go East – Cycling solo from Germany to Australia heißt meine große Reise, in der ich gerade mittendrin stecke. Vom Iran geht es nun weiter über die Stan-Staaten nach China oder in die Mongolei. Japan und Korea stehen danach auf dem Plan. Über Südostasien wird es weiter nach Australien gehen. Sollte sich der Weg von Myanmar nach Indien in naher Zukunft öffnen, würden mich auch der Osten Indiens sowie Bangladesh als Abstecher sehr reizen. Was danach passiert werde ich sehen. Bis dahin habe ich ja noch genug Zeit auf den langen, monotonen Wegen darüber nachzudenken. Ich habe allerdings bereits sehr viele Ideen im Kopf.

Noch ein bisschen zu fahren... © www.pushbikegirl.com
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Hier gibt es mehr über Heike:

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11 Comments

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  1. Hallo Martin,

    das Interview mit Heike finde ich klasse.
    Ich hatte das Glück Heike im Oman zu treffen. Wir sind uns “entgegengefahren”. Ich finde Ihre Tour wirklich sehr bewundernswert und hoffe, dass sich durch Ihr Vorbild noch mehr trauen Ihre Wünsche und Träume zu leben.

    Herzliche Grüße
    BerndMC

  2. Hallo Martin,

    ein weiteres tolles Interview! Auch ich verfolge Heikes Reise, geht ja fast nicht anders wenn man auf Facbook ist. Besonders interessant fand ich bis jetzt den Oman, aber auch an Tadjiskistan hab ich gute Erinnerungen.

    Wäre der Hammer wenn sich die politsche Lage soweit verbessert, dass Indien > Myanmar auf dem Landweg machbar wäre – ich drücke die Daumen, aber realistisch betrachtet glaube ich eher nicht dran.

    Ansonsten: schöne Seite! Vielleicht noch Pretty Permalinks aktivieren, ist besser für SEO.

    Viele Grüße,
    Andreas

  3. Ja, Heike hat dieses Interview vollkommen verdient. Sie ist eine Frau die Mut beweist und als Frau unterwegs zu sein, ist immer noch was anderes, als das als Mann der Fall ist.

    Weiter so Heike und danke Dir für das veröffentlichen des Interviews.

    Alexandros von bike4peace

  4. says: Klaus Brannhoff

    ich begleite Heike auch schon eine kleine Weile von der sicheren Wohnstube aus 🙂 Weckt sie aber doch mein Fernweh . vielen Dank für das Interview und die interessanten Antworten 🙂 Weiterhin alles gute wünscht der Klaus