Mal was anderes: Im Dienste der Republik – Martin als „Diplomaten-Praktikant“ in Mauretanien

Die deutsche Botschaft in Nouakchott/Mauretanien

Vor vielen Jahren habe ich Politik studiert, mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Das alles gipfelte in einer Abschlussarbeit über den NATO Doppelbeschluss, die aber für die akademische Welt keinen Fortschritt bedeutete.

Während meines Studiums war ich natürlich viel mit dem Rad unterwegs und bereiste Asien und Afrika. Und dann kam der Zeitpunkt, wo ich mich mal mit dem Leben nach der akademischen Wohlfühlblase beschäftigen musste. Was will ich eigentlich mal später machen? Berufsradreisender? Lahm! Politiker? Oh no! Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Abgeordnetenbüro? Naja! Oder meiner Leidenschaft für ferne Länder und fremde Kulturen folgend Außenminister? Yeah! Gut, was muss ich tun? Da kam mir eine Informationsveranstaltung des Auswärtigen Amtes gerade recht.

embassy 9

Doch schon nach 5 Minuten machte sich Ernüchterung breit. Die Damen und Herren vom Amt kamen schnell zur Sache: also Politologen sind nicht so ihre erste Wahl. Juristen und Wirtschaftswissenschaftler schon eher. Na super. Erstmal weiter zuhören. Ja, Historiker würden eventuell auch noch gut passen. Historiker? Und was ist mit Politologen? Wir können doch den ganzen Kram. Hatte man aber das richtige Studium, war man noch nicht am Ziel: eine Praktikumsstelle zu ergattern ist gar nicht einfach. Sehr strenger Auswahlprozess und überhaupt hohe Nachfrage. Das Amt ging wieder weg und ich war traurig. Auf diesem Wege wurde es also nichts mit meiner steilen Karriere als Minister.

Aber mein Ehrgeiz war geweckt: wenn ich es schaffe, nachts an chinesischen Militärkontrollposten nach Tibet zu schleichen, dann schaffe ich es doch wohl auch ein Praktikum zu bekommen.

Wenig später hatte ich mein Leben kurz zusammengefasst und meine Bewerbungen direkt an ausgewählte deutsche Botschaften auf den Weg gebracht. Mein Herz schlug schon damals für die „wilden“ Länder in Afrika und Asien. Ich wollte in Krisengebiete, dorthin, wo was passiert. Und nach nur zwei Absagen kam dann zu meiner Freude und Überraschung eine Zusage für ein 2-monatiges Praktikum an der Deutschen Botschaft in Mauretanien. Klasse! Da ging ja mein Plan voll auf, denn meine nächste Radtour sollte ohnehin durch Westafrika gehen.

Die deutsche Botschaft in Nouakchott/Mauretanien
Die deutsche Botschaft in Nouakchott/Mauretanien

Und so nutzte ich die Gelegenheit, um bei meiner Radreise nach Timbuktu gleich auch meinem Praktikumsplatz einen Vorab-Besuch abzustatten. Im Februar 2000 schwang ich mich aufs Rad und fuhr nach Mauretanien und später dann weiter nach Mali. Nachdem ich mich durch das Minenfeld zwischen Westsahara und Mauretanien gekämpft hatte, mit dem Eisenerzzug von Nouadhibou aus ins Innere der mauretanischen Sahara gefahren bin und einem Sandsturm trotzen konnte, kam ich ziemlich verdreckt in Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, an.

Sandsturm in der mauretanischen Sahara
Sandsturm in der mauretanischen Sahara

Mein erster Weg führte dann natürlich zur Deutschen Botschaft. Mit einem freundlichen Hallo stellte ich mich vor und wurde nach der ersten Überraschung freundlich begrüßt. Ausgerüstet mit guten Tipps und Infos ging es dann am nächsten Tag für mich mit dem Rad weiter nach Bamako, während sich die zukünftigen Kollegen in der Botschaft schon mal auf mich freuten.

Auf dem Weg nach Mali
Auf dem Weg nach Mali

Nur wenige Monate später, im Juni 2000, war ich wieder auf dem Weg nach Mauretanien – diesmal als Praktikant im Dienste der Republik und des Amtes. Nach einem abenteuerlichen Hinflug mit Air Afrique (gibt es nicht mehr und zwar zu Recht), fing ich also in der deutschen Botschaft an. Begrüßt wurde ich mit einer Palette Warsteiner in meinem Kühlschrank. Nicht schlecht!

Das Botschaftsgebäude im Inneren des Komplexes

In der Botschaft hieß es für mich nicht kopieren und Kaffee kochen, sondern eine Website für die Botschaft bauen, die Ausstellung von Visa zu begleiten und die tagtäglichen Anfragen und Anträge zu sichten. Das war echt spannend, zumal in meine Praktikumszeit die Weltausstellung in Hannover fiel und viele Menschen ein Visum brauchten. Nicht jeder wollte natürlich wirklich nach Hannover, aber das bekam man recht schnell raus. Oder auch nicht.

Natürlich haben wir uns nicht nur in der Hauptstadt aufgehalten: einmal ging es für ein paar Tage ins Innere Mauretaniens. Unser Jeep kämpfte mit den widrigen Pisten, blieb immer wieder im Sand stecken und doch erreichten wir dann irgendwann einen kleinen Ort. Hier wurden wir schon sehnsüchtig erwartet. Die Bundesrepublik hatte sich an einem Wasserversorgungsprojekt beteiligt und dieses wurde nun eingeweiht.

Einweihung der neuen Wasserversorgung
Einweihung der neuen Wasserversorgung

Zudem gab es noch einen gasbetriebenen Kühlschrank als Spende der Botschaft für eine örtliche Krankenstation. Damit konnten nun erstmals wichtige Medikamente kühl aufbewahrt werden und die Menschen brauchten nicht mehr 3 Tage bis zum nächsten Krankenhaus, sondern nur noch wenige Stunden, um die nötigen Medikamente zu bekommen. Abends feierten wir mit Hammel und Wasser und legten uns unter freiem Himmel dann schlafen.

Ein anderes Mal begleitete ich die Frau des deutschen Botschafters zu einer Schule für behinderte Kinder, die durch die deutsche Botschaft unterstützt wurde. Wie in Deutschland üblich, saßen im hinteren Teil des Autos mit der Frau Botschafterin und einem Mitarbeiter der Botschaft die wichtigen Leute, ich nahm vorne neben dem Fahrer Platz. Bei unserer Ankunft war eine erhebliche Menge Menschen anwesend. Freudestrahlend wurde mir die Tür geöffnet und ich wurde als „Herr Botschafter“ begrüßt. Das war nett, aber falsch. Ich verwies auf die Dame im Heck. Grund für das Missverständnis war, dass in Mauretanien die wichtigste Person in einem Auto neben dem Fahrer sitzt, und nicht hinten.

Am Botschaftspool
Am Botschaftspool

Wenig später musste ich für zwei Tage auf das Botschaftsgelände ziehen, da es Spannungen zwischen Mauretanien und dem Senegal gab. Irgendjemand hatte zu viel Wasser aus dem Senegalfluss entnommen und daraufhin kam es zu Streitereien zwischen den Ländern. Sicherheitshalber verfolgten wir diese aus den Botschaftsräumen und ich meist am und im Pool auf dem Gelände. Allerdings handelte ich mir durch die Kombination aus Pool und Klimaanlage eine fette Mittelohrentzündung ein, die aber eine belgische Ärztin vor Ort lindern konnte.

Public Transport in Nouakchott
Public Transport in Nouakchott

Übrigens steht in Nouakchott eine der größten Botschaftsbauten der ehemaligen UdSSR. Die Botschaft sollte eigentlich, so erzählte man mir, in Kuba aufgebaut werden. Doch die Kubakrise verhinderte die Schiffslieferungen (kam ja nicht so gut damals) und so beschloss man die Botschaft einfach in Mauretanien in den Sand zu setzen.

Platz in Nouakchott
Platz in Nouakchott

Die Zeit verging wie im Flug, ich hospitierte bei der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), besuchte ein örtliches Krankenhaus (schlimm) und verbrachte einen Tag im mauretanischen Landwirtschaftsministerium (interessant). Dazwischen machte ich viele Ausflüge in die Umgebung der Stadt und mit meinen Kollegen an den Strand. Am Ende bekam ich durch den damaligen Botschafter Dr. Krier mein Zeugnis und flog wieder quer durch Westafrika nach Paris und weiter nach Hause.

zeugnis

Nur ein Jahr später hob ich mit einer der ersten Maschinen, die aus Berlin nach den Anschlägen vom 11. September wieder in die USA fliegen konnten, ab und reiste nach Los Angeles. Hier verbrachte ich wieder zwei Monate als Praktikant, diesmal im deutschen Generalkonsultat. Ich wohnte am Hollywood Boulevard in einem kleinen Hostel und war der einzige mit echter Aufenthaltsgenehmigung, erlebte die Panik vor neuen Anschlägen, trank mit festgesetzten Greenpeace-Aktivisten ein Bier und besuchte Deutsche im Staatsgefängnis. Aber das ist eine andere Geschichte.

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